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Impuls zum 05.04.2020

zum 6. Fastensonntag

von Stefan Leibold, Diözesanvorsitzender pax christi Münster; Mitglied der AG „Ökonomie und Ökologie“

Einführung

Das christliche Leben ist nach wie vor von der Corona-Pandemie betroffen: Die gemeinschaftliche Feier der Kar- und Ostertage wird in diesem Jahr ausfallen. Palmstöcke müssen alleine gebastelt werden. Die Gemeinschaft der Christ*innen wird in der Osterzeit nur virtuell erfahrbar. Was macht das mit den Menschen als sozialen Wesen, gerade auch, wenn nicht klar ist, wie lange dieser Zustand anhält. Wie sehr werden allein Lebende vereinsamen? Wie stark wird die häusliche Gewalt zunehmen? Was wird diese Zeit mit den Kindern machen, die nicht mit anderen spielen und ihre Großeltern nicht sehen dürfen? Auf der anderen Seite erkennen wir auch, dass die Menschen keine Egoisten und rationale Nutzenmaximierer sind, wie die neoliberale Philosophie oft behauptet. Und eine Entschleunigung für diejenigen, die sie erfahren dürfen, wird vielen gut tun.

Wie gehen wir mit dieser Zeit um? Verlieren wir uns in der Panik vor dem unbekannten Gegner oder behalten wir einen klaren Blick: für die defizitären Zustände nicht nur  im Gesundheitsbereich, sondern auch im prekären Niedriglohnsektor, die uns jetzt bewusster werden? Dafür, dass massive Einschränkungen der Grundrechte, die jetzt notwendig erscheinen, auf Dauer keinen Bestand haben dürfen? Dass die Regierenden in Normalfall nicht am Schicksal überlasteter Pflegekräfte, armer Rentner*innen oder abgeschobener Geflüchteter interessiert sind, um nur einige Gruppen zu nennen? Haben wir mitbekommen, dass Politiker*innen einen radikalen Umbau der Gesellschaft plötzlich vorantreiben, den sie in Bezug auf die Klimazerstörung ausschließen? Vieles, über das man nachdenken kann in diesen Zeiten.

Was erwarten wir? Am Leben zu bleiben und nach der Pandemie so weiter zu machen wie vorher? Oder erwarten wir auch in unserer Zeit die Ankunft des Herrn, die uns deutlich macht, dass das Reich Gottes zu uns kommen will? Im Evangelium erleben wir heute den Einzug Jesu in der Hauptstadt Jerusalem und den Beginn seines Wirkens dort. Aber Gott will auch heute bei uns wirken, in unseren Städten. Er ist schon da und mitten unter uns.


Liedvorschlag

GL 414             Herr, unser Herr, wie bist du zugegen


Bibeltext (Mt 21, 1-11) 

Als sich Jesus mit seinen Begleiter*innen Jerusalem näherte und nach Betfage am Ölberg kam, schickte er zwei Jünger voraus und sagte zu ihnen: Geht in das Dorf, das vor euch liegt; dort werdet ihr eine Eselin angebunden finden und ein Fohlen bei ihr. Bindet sie los, und bringt sie zu mir!

Und wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen.  Das ist geschehen, damit sich erfüllte, was durch den Propheten gesagt worden ist:

Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist friedfertig, und er reitet auf einer Eselin und auf einem Fohlen, dem Jungen eines Lasttiers. Die Jünger gingen und taten, was Jesus ihnen aufgetragen hatte.

Sie brachten die Eselin und das Fohlen, legten ihre Kleider auf sie, und er setzte sich darauf.

Viele Menschen breiteten ihre Kleider auf der Straße aus, andere schnitten Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg.

Die Leute aber, die vor ihm hergingen und die ihm folgten, riefen: Hosanna dem Sohn Davids! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn. Hosanna in der Höhe!

Als er in Jerusalem einzog, geriet die ganze Stadt in Aufregung, und man fragte: Wer ist das?

Die Leute sagten: Das ist der Prophet Jesus von Nazaret in Galiläa.

 

Auslegung

Mit dem Einzug in Jerusalem beginnt die letzte Phase von Jesu öffentlichem Auftreten. Hier wird es sich entscheiden: wird Jesus mit seiner Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes auch in der Hauptstadt, wo die Fäden zusammen laufen, wo der öffentliche Diskurs bestimmt wird, ankommen? Wie werden die Mächtigen seiner Zeit reagieren? Die Römer, die jeden politischen Aufstand sofort brutal niederschlagen, aber auch die geistlichen und kulturellen Eliten des Judentums, die mit den Invasoren so gut zusammenarbeiten?

Jesus kommt nicht als typischer Herrscher zur Stadtgrenze, nicht mit Prunk und Pomp, sondern auf einem Esel schaukelnd: als endzeitlicher Prophet des Friedens gerade im Kontrast zu den Herrschenden seiner Zeit. Auch seine Botschaft ist entscheidend anders: Die, die mit Blindheit geschlagen sind, sehen wieder, die , die ihre Energie verloren haben, trauen sich wieder zu gehen, die aussätzig Gemachten werden wieder integriert, die, die im Leben schon tot schienen, stehen auf und die Armen und Unterdrückten schöpfen neue Hoffnung (nach Mt 11, 2-6).

Vor den Toren der Stadt streuen die Menschen Zweige der Hoffnung; in der Stadt dagegen löst die Gruppe um Jesus Aufregung aus. Hier herrscht keine Begeisterung; schon gar nicht nach der bei Matthäus direkt im Anschluss beschriebenen „Tempelreinigung“, mit der sich Jesus gleich mal bei Tempelelite und Händlern extrem unbeliebt macht. Die Stadt wird ihn mit seinem radikalen Programm zurückweisen, sie funktioniert nach anderen Regeln: hier werden Profite gemacht, hier ist die soziale Ungleichheit hoch, hier ist klar, wer religiös das Sagen hat. In der Stadt wird der Prophet aus der Provinz bald grausam hingerichtet. Was hat er sich eingebildet? Man kann nicht einfach die Systemlogiken austauschen.

Der Raum des Sag- und Denkbaren war in Jerusalem zur Zeit Jesu deutlich eingeschränkt: eine Erfahrung, die wir heute auch machen, wenn wir uns nicht schon daran gewöhnt haben und es nicht merken. Dass Kapitalismus und Wachstumszwang sich nicht mit notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung der Klimazerstörung vertragen; dass aggressive Militärbündnisse wie die NATO und Militär allgemein nicht zum Frieden beitragen, sondern zu mehr Gewalt; dass das Ertrinken-Lassen  und in den Lagern einpferchen von Flüchtenden ein skandalöses Verbrechen ist; dass Umverteilung und Enteignungen in unserer ungleichen Gesellschaft längst ethisch und politisch geboten sind. Viele andere Beispiele ließen sich finden. Viele Menschen haben längst resigniert und die Hoffnung auf ein sinnvolleres Leben aufgegeben. Auferstehung und Hoffnung sind das, was wir dringend brauchen angesichts eines globalen Kapitalismus, der mit seinen Krisen Leben und Frieden für viele verhindert.

Zieht Jesus heute in unsere Stadt ein? Lassen wir ihn die herrschenden Diskurse in Frage stellen? Haben die, die sich Christen nennen, überhaupt ein Interesse daran? Oder verdrängen wir in Zeiten von Corona-Panik, wie die Welt aussieht? Öffnen wir die Tore unserer Stadt, damit Jesus einziehen kann! Das wäre doch was.

 

Gebet

Ich danke allen, die meine Träume belächelt haben.

Ich danke allen, die meine Träume belächelt haben.

Sie haben meine Fantasie beflügelt.

Ich danke allen, die mich in ihr Schema pressen wollten.

Sie haben mich den Wert der Freiheit gelehrt.

Ich danke allen, die mich belogen haben.

Sie haben mir die Kraft der Wahrheit gezeigt.

Ich danke allen, die nicht an mich geglaubt haben.

Sie haben mir zugemutet, Berge zu versetzen.

Ich danke allen, die mich abgeschrieben haben.

Sie haben meinen Trotz geschürt.

Ich danke allen, die mich verlassen haben.

Sie haben mir Raum gegeben für Neues.

Ich danke allen, die mich verraten und missbraucht haben.

Sie haben mich erwachsen werden lassen.

Ich danke allen, die mich verletzt haben.

Sie haben mich gelehrt, im Schmerz zu wachsen.

Ich danke allen, die meinen Frieden gestört haben.

Sie haben mich stark gemacht, dafür einzutreten.

Ich danke allen, die mich verwirrt haben.

Sie haben mir meinen Standpunkt klar gemacht.

Vor allem aber danke ich all denen, die mich lieben, so wie ich bin.

Sie geben mir die Kraft zum Leben! Danke.

(Paulo Coelho)

 

Liedvorschlag

GL 453             Bewahre uns, Gott, behüte uns, Gott

 

Segen

Den tiefen Frieden im Rauschen der Wellen,

den wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden im schmeichelnden Wind,

den wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden über dem stillen Land,

den wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden unter den leuchtenden Sternen,

den wünsche ich dir.

 

Den tiefen Frieden vom Sohne des Friedens,

den wünsche ich dir.

 

(Unbekannter Verfasser)

 

Den Frieden in diesen Zeiten wünsche ich allen Freundinnen und Freunden von pax christi!

 

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