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Impuls zum 1. November 2020

Zu Allerheiligen

Von Diakon Horst-Peter Rauguth, Geistlicher Beirat pax christi Deutschland

Lieder 
GL 395: Den Herren will ich loben
GL 458+459: Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt
GL 543 (614): Wohl denen, die da wandeln

Einleitung
Heute feiern wir das Fest aller Heiligen, der allseits bekannten wie der namenlosen und unbekannten. Es erinnert uns daran, dass alle Getauften zur Heiligkeit berufen sind. Heilige sind Menschen, die jene Vollendung erreicht haben, die Gott ihnen von Beginn an zugedacht hat. Das ist wohl eine unzählbare Schar. Wir hoffen, dass viele von den Menschen, die wir gekannt und geschätzt haben, dazugehören.

Kyrie
Herr Jesus,
der du den Menschen Gaben und Kräfte geschenkt hast:
Kyrie, eleison.

Herr Christus,
der du Menschen seliggepriesen hast, die ihre Berufung leben:
Christe, eleison.

Herr Jesus,
auf den wir uns verlassen können in unserem Alltag:
Kyrie, eleison.

EVANGELIUM - MT 5,1-12A
Aus dem heiligen Evangelium nach Matthäus:

In jener Zeit,
als Jesus die vielen Menschen sah, die ihm folgten,
   stieg er auf den Berg.
Er setzte sich
   und seine Jünger traten zu ihm.
Und er öffnete seinen Mund,
   er lehrte sie und sprach:
Selig, die arm sind vor Gott;
   denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig die Trauernden;
   denn sie werden getröstet werden.
Selig die Sanftmütigen;
   denn sie werden das Land erben.
Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit;
   denn sie werden gesättigt werden.
Selig die Barmherzigen;
   denn sie werden Erbarmen finden.
Selig, die rein sind im Herzen;
   denn sie werden Gott schauen.
Selig, die Frieden stiften;
   denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen;
   denn ihnen gehört das Himmelreich.
Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt
   und alles Böse über euch redet um meinetwillen.
Freut euch und jubelt:
Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel.

Gedanken zu Allerheiligen
Was ist eigentlich ein*e Heilige*r? Ist es ein Mensch, der gewissenhaft gelebt und fleißig gearbeitet hat? Der/Die perfekte Kirchengläubige, der/die dann im Jenseits zum himmlischen Hofrat wird? 

Nein. Heilige passen in kein Schema und sind keine blassen Kopien eines Ideals, das man in frommen Büchern findet. Jede*r Heilige hat seine ganz persönliche Geschichte, seinen/ihren je eigenen Weg der Berufung, einen Weg, den nur Gott ganz erfassen kann. Zunächst mögen die Zeitgenoss*innen mit dem Kopf schütteln, weil sein Leben so anders ist. Doch dann bricht das Geheimnis der Heiligkeit hervor, das echt ist, weil es keine aufgesetzte Tugend ist, sondern den Menschen ganz durchdringt. Jede*r Heilige ist ein Original, das die Spuren des göttlichen Bildners trägt. 

Kann ein Mensch, ein Raufbold, der in seiner Jugend einer Handgreiflichkeit nicht aus dem Weg geht, der ein uneheliches Kind hat, eine Familie mit drei Töchtern unversorgt zurücklässt, als er gegen ein staatliches Gesetz verstößt und dafür mit dem Tode bestraft wird, ein Mensch den seine Kirche für einen Irrenden hält, ein Heiliger sein?

Am 26. Oktober 2007 wurde Franz Jägerstätter auf dem Weg zur Heiligkeit im Linzer Dom seliggesprochen. Damit ehrte die katholische Kirche posthum einen Menschen, dem sie im Zweiten Weltkrieg jede inhaltliche Unterstützung für seine Gewissensentscheidung zur Kriegsdienstverweigerung versagte. 

Diese Seligsprechung ist nur möglich geworden, weil das Zeugnis des Franz Jägerstätter viele Zeug*innen gefunden hat, die seit dem Tag seiner Hinrichtung bis heute gegen das Vergessen und gegen alle Anfeindungen dafür eingetreten sind, dass seine Entscheidung kirchliche und gesellschaftliche Anerkennung finden konnte. 
Nach seiner Einberufung zur Wehrmacht im Jahre 1943 verweigerte Franz Jägerstätter seine Teilnahme an dem verbrecherischen Krieg. Für ihn war Gewissheit, dass keine staatliche Autorität das Recht hat, das Gewissen des einzelnen zu brechen, da Gottes Recht höher steht als Menschenrecht. Kirchliche Autoritäten sprachen ihm diese Bindung im Gewissen ab. Der Zweite Senat des Reichsgerichts in Berlin verurteilte ihn am 6. Juli 1943 wegen Zersetzung der Wehrkraft zum Tode sowie zum Verlust der “Wehrwürdigkeit” und der bürgerlichen Ehrenrechte. Am 9. August 1943 wurde Franz Jägerstätter in Brandenburg / Havel hingerichtet. 

Mit seiner Seligsprechung erfährt Franz Jägerstätter eine herausragende Würdigung; seine freie und selbst bestimmte Gewissensentscheidung wird damit öffentlich anerkannt und als vorbildliche Haltung eines Christen herausgestellt. Er trat ein gegen die Verachtung des Lebens und für gewaltlose Solidarität. Für die Weigerung, in einem ungerechten Krieg auf Befehl zu töten, nahm er auch den Verlust des eigenen Lebens in Kauf. In diesem Akt der Verweigerung bis zum Tod zeigt sich exemplarisch die unaufgebbare Freiheit des Menschen vor Gott und seinem Gewissen. Jesus weist in der Bergpredigt auf diese Menschen hin: Es sind die geistig Armen, die Trauernden, die Gütigen, die Gerechten, die Barmherzigen, die Aufrichtigen, die Friedensstifterinnen und -stifter, die für Gerechtigkeit Leidenden.

Jesus preist Menschen selig, deren Denken, Fühlen, Empfinden und Streben ganz auf das Reich Gottes ausgerichtet ist. Menschen, die sich so sehr auf das anbrechende Reich Gottes eingelassen haben, dass sie all das, was Menschen sonst wichtig ist, vergessen und vernachlässigt haben. An erster Stelle steht für sie die Sehnsucht nach dem Reich Gottes. Dies ist ihr höchster und wichtigster Wert. Das Fest aller Heiligen möchte einerseits die zahllose Schar der Menschen, die die Sehnsucht nach dem Reich Gottes zu ihrem Lebensmittelpunkt gemacht haben, würdigen.

Das Fest aller Heiligen möchte darüber hinaus diese Sehnsucht nach dem Reich Gottes in uns allen wecken. In uns, die wir noch unterwegs sind, die nach einem gelungenen Leben Ausschau halten, die nach Vorbildern suchen, zu denen sie aufschauen können, die nach Kriterien und Zielen suchen, für die es sich lohnt, die ganze Lebenskraft einzusetzen.

Schließlich möchte das Fest aller Heiligen alle, die auf das Reich Gottes hin unterwegs sind, spüren lassen, dass sie nicht allein ihren Weg gehen. Dass sie eingebunden sind in die große Gemeinschaft aller Heiligen. 

Das Wissen um diese große Gemeinschaft kann uns Kraft geben, unseren Weg zu gehen, und die Wärme und Geborgenheit, die wir auf unserem Weg so oft vermissen.

Mich hat das Lebenszeugnis des Franz Jägerstätter schon vor fast 50 Jahren tief beeindruckt, als ich mit 18 Jahren den Kriegsdienst verweigerte, und die katholische Kirche sich immer noch schwer tat den Weg der Kriegsdienstverweigerung aus dem Glauben zu akzeptieren. Und ich habe mich immer gefragt, ob ich auch den Mut hätte für diese Entscheidung den Tod in Kauf zu nehmen.

Ich will mit zwei Zitaten aus der Gefangenschaftserklärung und einem Brief Franz Jägerstätters aus dem Gefängnis schließen: „Zu was hat denn (dann) Gott alle Menschen mit einem Verstand und freiem Willen ausgestattet, wenn wir ohnedies blinden Gehorsam zu leisten haben, oder , wie so manche auch sagen, dass es dem Einzelnen nicht zusteht, zu entscheiden, ob dieser Krieg, den Deutschland begonnen hat, gerecht oder ungerecht ist ---- zu was braucht man dann noch die Erkenntnis was gut oder böse ist?“

Und seinem Patenkind schreibt er: „Darum heißt es, die ganze Kraft aufwenden, um für die ewige Heimat zu arbeiten und stets ein gutes Gewissen zu bewahren. Dann mögen unsere Feinde auch mit der Waffe gegen uns gehen, diese Heimat können sie uns dann nicht mehr entreißen. Wenn wir uns auch täglich plagen müssen und wenig Lohn auf dieser Welt ernten, so können wir doch reicher werden als Millionäre, denn solche sind am reichsten und am glücklichsten, die den Tod nicht fürchten brauchen. Und dieser Reichtum liegt nur nach unserem Wollen.“

Fürbitten
Jesus Christus, du hast Franz Jägerstätter berufen und ihn mit deinem Wort erfüllt. Sein Gewissen war von deinem Geist geprägt, sodass er dir und deinem Vater mehr gehorchen wollte als aller weltlichen Macht.
Wir bitten dich:

  • Für die Kirche, dass sie ein Werkzeug des Friedens und der Versöhnung sei und in der Kraft deines Geistes Unrecht und Böses bekämpfe.
  • Für alle, die von der Coronapandemie betroffen sind, dass ihnen Einsicht, Kraft für den Weg und Genesung geschenkt wird.
  • Für alle, die in der Politik Verantwortung tragen, dass sie dem Wohlergehen der Menschen, dem Frieden und der Gerechtigkeit auf der ganzen Welt dienen.
  • Für alle, die ihrem Gewissen folgen und gegen den Strom schwimmen, für alle jene, die sich einsetzen, um ungerechte Fesseln zu lösen und Frieden zu stiften, dass sie durch den Beistand des Heiligen Geistes gestärkt werden.
  • Für unsere Verstorbenen, dass sie in der Schar der Heiligen aufgenommen sind.
  • Für uns alle, dass dein Wort uns erleuchte, stärke und leite.

Darum bitten wir durch Jesus Christus, unseren Herrn – Amen.

Vater unser

Heilig werden
Pierre Stutz, Der Stimme des Herzens folgen. Jahreslesebuch, Verlag Herder, Freiburg 2006.

Heilig werden heißt
ich selber werden
wachsen und reifen können
im Entfalten meiner Stärken
und im Annehmen meines Schattens.

Heilig werden heißt
sich selber lassen
Hingabe wagen
um mit Rückgrat Partei zu ergreifen
für die Entrechteten und Ausgebeuteten.

Heilig werden heißt
leer werden
um sich täglich erfüllen zu lassen
von der zärtlichen Gegenwart Gottes
die sogar stärker ist als Tod.

Heilig werden heißt
ein Leben lang ja sagen
zum Licht und zum Schatten
zum Leben und zum Sterben
zum Schweigen und zum Engagement.

AMEN
 

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