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Impuls zum 8. November 2020

Zum 32. Sonntag im Jahreskreis

Von Reinhard Voss, Mitglied der pax christi-Kommission Solidarität mit Zentralafrika

Klugheit, Wach-Sein und Weisheit

Lesungen aus dem Buch der Weisheit 6, 12-16; aus dem Brief des Apostels Paulus an die Thessalonicher (1Thess 4,13-18) und mit der Parabel Jesu über die klugen und die törichten Jungfrauen bei Mt 25, 1-13

 „Wer früh sich aufmacht nach der Weisheit, braucht sich nicht abzumühen; denn er findet sie an seiner Türe sitzen.“

Quelle: Aus einem Büchlein von Jörg Zink: https://trostfinden.com/gebetstexte/288-vom-beten  

Einführung

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Mitchrist*innen.                                                                               

Unser Thema ist an diesem Sonntag und für die kommende November-Woche die Klugheit, das Wach-Sein und die daraus folgende – man glaubt es kaum – „Von Sorge frei-Haltung“. Welch ein Versprechen im Monat November des erneuten Lock-down 2020, des erzwungenen Daheim-Bleibens, weitgehender Kontaktsperre und neuer Furchtsamkeit oder gar Angst! 

Liturgische Eröffnung

Wir sind jetzt und hier versammelt im Namen Gottes, der uns Vater und Mutter ist, im Namen von Jesus, der uns Bruder und Christus wurde, und im Namen des alle verbindenden Heiligen Geistes, der Heiligen Ruach. Amen. 

Die Lesungen

Wir hören heute kluge Worte aus dem hebräischen „Buch der Weisheit“, das wenige Jahrzehnte vor Christi Geburt – wohl im ägyptischen Alexandria entstand – als Trostbuch für die von Rom unterdrückten Juden und Jüdinnen in Israel. Wir hören sodann eine Ermutigung des bekehrten Paulus, der uns ein Grundvertrauen ins Leben und ins Sterben vermittelt. Und wir folgen schließlich der bekannten Parabel von Jesus selbst, die die Menschen im damaligen unterdrückten Palästina – wie auch uns in diesen unerwartet schwierigen Zeiten – aufruft zur Wachsamkeit, zur Empathie und zur Klugheit:  am Beispiel der törichten und der klugen Jungfrauen, die in zweierlei Weise auf die Hochzeit warten.

1. Lesung aus dem Ersten/Alten Testament

Buch der Weisheit, Kapitel 6, Verse 14-16 [2 Stimmen!]:

Vers 14: Wer sie [die Weisheit] am frühen Morgen sucht, braucht keine Mühe; er findet sie vor seiner Türe sitzen.

Da sitzt sie also schon, die Weisheit, und wartet auf unser Wach-Werden, unser Auf-Stehen, unser Raus-Kommen: raus aus den Federn! Raus aus dem Haus! Raus aus dem Trott der Gewohnheiten!

Vers 15a: Über sie [die Weisheit] nachzusinnen ist vollkommene Klugheit.

Also: Es ist nicht die vorgetäuschte Klugheit der Besserwisser, nicht die nachträgliche Klugheit der wohlfeilen Art des „Hätten wir doch“, sondern die „vollkommene Klugheit“, die tiefer blickt und zur Weisheit werden kann. Denn:

Vers 15b: Wer ihretwegen wacht [der Weisheit wegen], wird schnell der Sorge frei.

Das ist aber nicht die oberflächliche Sorgenfreiheit der heutigen Werbung, die schnelle Erfüllung und faden Nachgeschmack bringt. Man kann sogar unter dem Namen „sorgenfrei“ schon Weine und Mode kaufen und Restaurants besuchen!  Nein, es geht vielmehr um eine tiefe Gelassenheit, eine innere Unabhängigkeit im Gottvertrauen.

Vers 16: Sie [die Weisheit] geht selbst umher, um die zu suchen, die ihrer würdig sind;/ freundlich erscheint sie ihnen auf allen Wegen/ und kommt jenen entgegen, die an sie denken.

Dieser Weisheit wird eine eigene Subjektivität zugesprochen: sie selbst wird aktiv, sie sucht und bezirzt gar; sie belohnt die, die ihr entgegenstreben.

Anschließend ist in diesem Text noch von den gesellschaftlichen Wirkungen und Folgen des „Verlangens nach Weisheit“ die Rede, von Bildung und Liebe, von Bemühen und Gesetzestreue. 

Wir hören nun diese kurze Lesung noch einmal im Zusammenhang.                                                       

[Erneute Lesung des Textes – ohne Unterbrechung]                                                                                            

Zum Abschluss: „Soweit diese Lesung aus dem Ersten Testament der Bibel.“ - Alle: „Dank sei Gott“

2. Lesung aus dem Neuen Testament

Wir hören in der 2. Lesung Worte des heiligen Paulus an die Thessalonicher (1 Thess 4, 13-18):

Brüder [und Schwestern], wir wollen euch über die Verstorbenen nicht in Unkenntnis lassen, damit ihr nicht trauert wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Wenn Jesus – und das ist unser Glaube – gestorben und auferstanden ist, dann wird Gott durch Jesus auch die Verstorbenen zusammen mit ihm zur Herrlichkeit führen. Denn dies sagen wir euch nach einem Wort des Herrn: Wir, die Lebenden, die noch übrig sind, wenn der Herr kommt, werden den Verstorbenen nichts voraushaben. Denn der Herr selbst wird vom Himmel herabkommen, wenn der Befehl ergeht, der Erzengel ruft und die Posaune Gottes erschallt. Zuerst werden die in Christus Verstorbenen auferstehen; dann werden wir, die Lebenden, die noch übrig sind, zugleich mit ihnen auf den Wolken in die Luft entrückt, dem Herrn entgegen. Dann werden wir immer beim Herrn sein. Tröstet also einander mit diesen Worten!

Zum Abschluss: „Soweit diese Lesung aus dem Neuen Testament der Bibel.“ - Alle: „Dank sei Gott“

Paulus, der „Völkerapostel“, der bekehrte Christenverfolger Saulus, der nun für Jesus, den Christus, über Grenzen geht und zuletzt bis ins Zentrum der Macht nach Rom kommt, wo er für seinen Herrn ohne Furcht stirbt, schreibt den Menschen im griechischen Thessaloniki über die „Hoffnung der Christen“. Diese Gemeinde hatte er zusammen mit seinem Schüler Timotheus um das Jahr 50 gegründet, sie aber bald verlassen müssen (s. Apg 17,1-9). Dieser erste Brief an die dortige Gemeinde ist der älteste erhaltene Paulusbrief. Paulus und seine Schüler Timotheus und Silvanus ermutigen die Gemeindeglieder, öffentlich und furchtlos von ihrem Glauben zu sprechen und leben noch in der Naherwartung der Wiederkunft Christi. Unabhängig von dieser zeitgebundenen Täuschung gilt immer noch für uns Christen: In dem heute verlesenen Auszug wird die Hoffnung der jungen Christengemeinde im Leben und gerade auch im Sterben gestärkt. Wir alle brauchen das Gottvertrauen – vorhin beim Buch der Weisheit nannten wir es die „innere Unabhängigkeit im Gottvertrauen“. Wir werden mit Jesus Christus immer bei Gott sein. Leben und Sterben und Bei-Gott-sein werden eins. „Tröstet einander mit diesen Worten!“ fügt Paulus ausdrücklich hinzu.

Mich erinnert dies an ein Wort von Mahatma Gandhi, das mir half, bewusster, intensiver und verantwortlicher zu leben: „Lebe als würdest du morgen sterben. Lerne als würdest du ewig leben.“ – Es gesellte sich zu einem anderen Grundsatz in meinem Leben, den ich seit Anfang der 70er Jahre geschätzt hatte und zuerst bei der protestantischen Jesusbruderschaft in Camberg/ Taunus hörte: „Rede nur von Gott, wenn man dich fragt, aber lebe so, dass man Dich fragt.“

Das heutige Sonntagsevangelium nach Matthäus (Mt 25, 1-13)

Genau die dazu notwendige Wachsamkeit kann uns die Geschichte von den klugen und den törichten Jungfrauen näherbringen.  

Wir hören Jesu Parabel aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 25, 1-13) - (Bitte vorlesen)

Drei Gedanken zu diesem Evangelium

Auch hier treffen wir wieder auf uns schon bekannte Aspekte: es geht um Volle Aufmerksamkeit. Ganze Konzentration. Wir wollen und sollen den Zeitpunkt, den entscheidenden Augenblick keinesfalls verpassen, laufen wir doch sonst Gefahr, abgehängt, ausgegrenzt und ausgesperrt zu bleiben.

Der erste Gedanke: Aktives Warten. In meinem über 70jährigen Leben habe ich in Situationen vor großen Entscheidungen im Berufs- und Familienleben, in Arbeit und Freizeit darauf geachtet, im Vorfeld einer solchen nicht hektisch oder engstirnig zu werden, sondern mich innerlich zurückzuziehen, wenn alles Äußere, Planbare und von mir selbst zu Verantwortende getan war: ich begann eine bewusste Phase „Aktiven Wartens“. Aktiv warten kennt keine Hektik, ist aber jederzeit zu einer schnellen Umsetzung einer grundsätzlich schon getroffenen Entscheidung bereit und in der Lage. Um eine solche Haltung zu erlangen, muss man auch lernen, den entscheidenden Moment nicht zu verpassen, den theologisch so genannten „Kairos“ zu erkennen“.

Der zweite Aspekt: den „Kairos“ treffen. Ich hatte lange Kontakt zu „Kairos Europa“. Eine ökumenische Initiative, die Europa in einem Memorandum dazu aufrief, nicht den Moment des Teilens mit den abgehängten Ländern und Erdteilen zu verpassen, sondern die historische Chance eines Paradigmen-Wechsels, eines Sichtwechsels, doch endlich zu erkennen. Diese Initiative blieb ohne den erwünschten schnellen Erfolg, aber viele in Nord und Süd – etwa auch in Israel und Palästina – haben sich daran orientiert, inspiriert und so die Hoffnung wachgehalten. Diese Aufgabe ist noch lange nicht vollendet. Im Gegenteil: es drohen immer mehr Abschottungen und Abgrenzungen aller Art. Und wir müssen sehr wachsam bleiben.

Und drittens: wir sollten das „Leben im Augenblick“ lernen. Was heißt das? In meinen Jahren im Kongo lernte ich ein wenig die im Westkongo geläufige Sprache Lingala. In dieser Sprache gibt es keine Worte für „gestern“ oder „morgen“ Alles ist sozusagen Gegenwart. Wir Europäer mit unserem Planungswillen kämen nie darauf. Aber als Denk- und Haltungs-Anstoß mag ich mich gern daran erinnern: es zählt das Hier und Jetzt! Leben im Hier und Jetzt, das kennen wir ja auch noch, etwa, wenn wir von Geistes-Gegenwart sprechen, wenn wir beim Autofahren auf jede Sekunde angewiesen sind, oder wenn wir es im Urlaub zu zelebrieren suchen. Wir können aus dem heutigen Evangelium von den klugen und wachsamen Jungfrauen doch Einiges für unseren Alltag lernen.

Zum Abschluss hören [oder lesen] wir ein zu diesem Evangelium gut passendes Lied:                          

Gotteslob 554 „Wachet auf“, Str. 1 und 2

Fürbitten        

(Antwort: Guter Gott, erbarme dich!)

Gott, Vater und Mutter für uns, wir rufen Dich an und bitten 

  1. Für alle Heimatlosen und Flüchtenden, weltweit in und um Europa, dass sie legale Wege finden – für Aufnahme und Neue Heimat.
  2. Für alle, die an der Entfaltung ihrer Freiheit gehindert werden, in autoritären Staaten, Clans und Familien, in denen Gewalt herrscht, dass sie zu Toleranz und Achtsamkeit finden.
  3. Für alle, die an Krankheiten leiden, die unheilbar krank sind, die sterben – und für die, die Angehörige betreuen und betrauern, dass sie Trost, Einsicht, Hoffnung und Ruhe finden.
  4. Für alle, die verblendet sind durch totalitäre Ideologien, pervertierte Religions-Vorstellungen und grenzenlosen Hass, dass sie einhalten – oder dass ihnen und ihrer Menschen-Verachtung Einhalt geboten wird.
  5. Für alle, die beruflich und ehrenamtlich helfen, Leben zu retten, Leiden zu lindern und neue Wege zu weisen, dass sie mehr geachtet werden, auch durch gerechtere Entlohnung.
  6. Für alle, die sich für Gerechtigkeit Friede und Klimaschutz einsetzen, dass ihre Kräfte gestärkt und ihre Hoffnungen auf eine bessere Welt belohnt werden.
  7. Für alle unsere Verstorbenen, derer wir im November besonders gedenken, dass sie Gnade und ewige Heimat finden bei Gott. AMEN.

Vater unser und Friedensgruß – Musikalische oder kurze stille Pause

Gebet zum Schluss

Dieses Gebet sprechen täglich die Mitglieder der demokratischen Ziv-Nur-Schule in Alfanara / Nord-Israel, an der psychisch kranke Jugendliche aus jüdischen, muslimischen, christlichen und drusischen Familien zusammen unterrichtet werden. Es entstand aus deren gemeinsamen Erfahrungen innerhalb eines Jahres nach dem Start 2013. 

„An diesem einzigartigen und besonderen Tag stehen wir hier alle zusammen. Öffnen unser Herz, reichen einander die Hand, um mit Lust zu geben und mit Segen zu empfangen: Wissen, Freundschaft und Freude.“  

Wir haben wie sie unsere Herzen geöffnet, um Gottes Wort zu hören, unsere Spiritualität so zu erneuern, unsere Verbundenheit im „Frieden Christi“ zu verspüren und gestärkt und freudig an unser Tagewerk zu gehen. Amen. 

Schluss-Segen und Sendung

(nach Dorothee Sölle, Träume mich, Gott)

Gott sei mit uns. Gott sei uns Freundin.

Sie hat uns die Erde geschenkt Und den Himmel als Dach.

Sie wird unsere Tage hell machen Und uns vor den Götzen schützen.

Sie geht mit uns in ein Land, wo es leichter sein wird, gut zu sein. Amen.

Liebe Freundinnen und Freunde, „Nun geht und bringt Frieden“ –  so heißt der alte Gruß, den wir als Kinder übersetzten mit „Die Messe ist aus!“  Das lateinische „Ite missa est“ heißt aber wörtlich: „Geht, es ist Sendung / ihr seid gesandt!“ 

Lieder aus dem „Gotteslob“

GL 554 Wachet auf, ruft uns die Stimme

GL 467 Erfreue dich, Himmel, erfreue Dich, Erde

GL 460 Wer leben will wie Gott auf dieser Erde 

Hausgebet für Verstorbene

GL 28. 3C  

Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn (Röm 14,8)

Noch ein kluger Zusatz, auch aufweckend und tröstend in der Corona-Krise

Nicht alles ist abgesagt

Sonne ist nicht abgesagt

Frühling ist nicht abgesagt

Beziehungen sind nicht abgesagt

Leben ist nicht abgesagt

Zuwendung ist nicht abgesagt

Musik ist nicht abgesagt

Phantasie ist nicht abgesagt

Freundlichkeit ist nicht abgesagt

Gespräche sind nicht abgesagt

Hoffnung ist nicht abgesagt

Beten ist nicht abgesagt

(Autor unbekannt, im Internet verbreitet schon im April 2010)

 

Dateien zum Download

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