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Impuls zum 17. Oktober 2021

Zum 29. Sonntag im Jahreskreis

Von Josef Freise (Neuwied), Mitglied im Wissenschaftlichen Beirat von pax christi

Eingangslied

The Kingdom of God is Justice and Peace, and Joy in the Holy Spirit. Come Lord, and open in us, the Gate of your Kingdom (Taizé)

oder:

GL 468 Gott gab uns Atem, damit wir leben

Gebet

Gott, für uns bist Du Ursprung und Ziel, Sehnsucht und Hoffnung. Du willst, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Sende aus Deinen Geist, damit die Frohe Botschaft Deines Sohnes Jesus Christus bei uns wirklich ankommt. Stärke und ermutige alle, die dabei mithelfen, dein Reich in unserer Welt gegenwärtig zu machen, Amen.

Lied

GL 437 Meine engen Grenzen...

Evangelium Mk 10, 35-45

(Übersetzung: Basisbibel)

35 Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, traten zu Jesus und sagten zu ihm: »Lehrer, wir möchten, dass du uns eine Bitte erfüllst.«36 Jesus fragte sie: »Was möchtet ihr denn? Was soll ich für euch tun?«37 Sie antworteten: »Lass uns neben dir sitzen, wenn du in deiner Herrlichkeit regieren wirst – einen rechts von dir, den anderen links.«38 Aber Jesus sagte zu ihnen: »Ihr wisst nicht, um was ihr da bittet! Könnt ihr den Becher austrinken, den ich austrinke? Oder könnt ihr die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde?«39 Sie erwiderten: »Das können wir!« Da sagte Jesus zu ihnen: »Ihr werdet tatsächlich den Becher austrinken, den ich austrinke. Und ihr werdet die Taufe auf euch nehmen, mit der ich getauft werde. 40 Aber ich habe nicht zu entscheiden, wer rechts und links von mir sitzt. Dort werden die sitzen, die Gott dafür bestimmt hat.«

41 Die anderen zehn hörten das Gespräch mit an und ärgerten sich über Jakobus und Johannes. 42 Da rief Jesus auch sie herbei und sagte zu ihnen: »Ihr wisst: Diejenigen, die als Herrscher der Völker gelten, unterdrücken die Menschen, über die sie herrschen. Und ihre Machthaber missbrauchen ihre Macht. 43 Aber bei euch ist das nicht so: Sondern wer von euch groß sein will, soll den anderen dienen. 44 Und wer von euch der Erste sein will, soll der Diener von allen sein. 45 Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen. Im Gegenteil: Er ist gekommen, um anderen zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele Menschen.«

Auslegung

Jesus formuliert im heutigen Evangelium eine klare Alternative zur politischen Herrschaft der Mächtigen, die die Völker unterdrücken. Er ist gekommen, um zu dienen und sein Leben hinzugeben, und das soll auch bei uns zu sein. Wer von uns groß sein will, soll den anderen dienen. 

Das Dienen hat in unserem Sprachgebrauch eine unverbindliche Note bekommen. Beamte gehen nicht zur Arbeit – sie gehen in den Dienst. Wenn früher jemand gefragt wurde: „Haben Sie gedient?“, ging es um die Ableistung der Wehrpflicht. Dienen meint bei Jesus etwas ganz anderes und Papst Franziskus bringt es mit dem Verweis auf das Gleichnis des Samariters auf den Punkt. 

Da gibt es zwei Religions“diener“, den Leviten und den Priester, die empathielos an einem zusammengeschlagenen Mann am Wegesrand vorübergehen. Sie meinen, sie hätten damit nichts zu tun, sie müssten nur ihrer Religion dienen. Lediglich ein Samariter zeigt Mitgefühl und ist dienstbereit. Dienst am Nächsten wird hier mit Religionskritik verknüpft. Religion kann sehr selbstbezogen sein und ihren wahren Dienstcharakter völlig verlieren. Ein befreundeter Priester hat es so auf dem Punkt gebracht: "Ich frage mich jeden Morgen, ob ich ein Religionsdiener wie der Levit und der Priester bin, die an dem verwundeten Menschen einfach vorbeigehen, denen es nur um ihren eigenen religiösen Ritus geht, oder ob ich wie der Samariter bin, der erkennt, was jenseits aller pastoralen Dienstpläne aktuell als Dienst am Menschen notwendig ist." 

Dienen setzt die Fähigkeit der Empathie, des Mitfühlens voraus, um im geschundenen, benachteiligten, diskriminierten und ausgegrenzten Menschen Gott zu erkennen. Die Menschen, die arm dran sind, sie sind unsere Orientierung. Sich an ihnen zu orientieren setzt die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz voraus, die Fähigkeit, sich zu überschreiten und die eigene Komfortzone zu verlassen – eine Haltung jenseits eines Egozentrismus. Jesus war selbstbewusst, aber nicht egozentrisch. Er musste sich nicht um sein Image kümmern. Er lebte aus der Anerkennung Gottes, aus dem Wissen und dem Gefühl, dass Gott ihn wertschätzt und liebt. Deshalb brauchte er nicht um Anerkennung zu buhlen, konnte von sich selbst absehen und auf sein Gegenüber zugehen, er konnte sich transzendieren. 

Dienen ist eine Form der Selbsttranszendenz, der Selbsthingabe, aber nicht der Selbstaufgabe. Diesen Unter-schied sollten wir aufmerksam im Blick haben. Wenn wir in einem falschen Sinne selbstlos sind und überhaupt nicht auf uns selber achten, kann es sein, dass sich unser Unterbewusstes rächt und dass unser Engagement für den anderen letztlich für unser Ego missbraucht wird. Manchmal setzen sich charismatische Persönlichkeiten ohne Rücksicht auf die eigenen Bedürfnisse scheinbar vorbildlich für andere ein, aber wenn die eigenen unberücksichtigten und unbearbeiteten emotionalen und sexuellen Bedürfnisse sie einholen, droht narzisstischer Missbrauch. Dann kann es sein, dass diese Personen dann ihre spirituelle Macht missbrauchen und von ihnen seelisch abhängige Menschen emotional, spirituell und sogar sexuell ausbeuten. 

Wir alle stehen immer vor der Frage der Unterscheidung der Geister. Ist mein Dienst am Nächsten wirklich ein Dienst für die Menschen oder ist es mehr ein Dienst für mein eigenes Image? Kollektiv und strukturell steht die Kirche vor dieser Frage: Haben die Kirchenreformen und beispielsweise die neuen Pfarreistrukturen wirklich in erster Linie das Wohl der Menschen und insbesondere das Wohl derer im Blick, die arm dran sind, oder sollen sie das Image der Kirche und die Macht der Amtsträger stärken? Diese Frage macht deutlich, dass die anstehenden Strukturreformen der Kirche wirklich nur dann in die jesuanische Richtung des Dienens weisen, wenn sie eine geistliche Umkehr beinhalten und wenn wir uns wirklich der Unterscheidung der Geister stellen.

Lied

GL 450 Gottes Wort ist wie Licht in der Nacht

Freie Fürbitten

Gedanken zum Geist des Dienens im neuen Katakombenpakt für das Gemeinsame Haus. Für eine Kirche mit einem amazonischem Gesicht, arm und dienend, prophetisch und samaritanisch (2019):

„Wir verkünden die immer neu befreiende Botschaft des Evangeliums von Jesus Christus, im Willkommen-Heißen des Gegenübers und des Anderen [...]. Wir stellen uns an die Seite derjenigen, die verfolgt werden aufgrund ihres prophetischen Handelns im Rahmen von Anklagen und Wiedergutmachung von Ungerechtigkeiten, ihrem Einsatz zur Verteidigung von Land und der Rechte der Kleinen, ihre Aufnahme von und Unterstützung gegenüber Migranten und Flüchtlingen. Wir pflegen wahre Freundschaften mit den Armgemachten, wir besuchen die einfachsten Menschen und die Kranken, üben Amt und Dienst des Zuhörens, des Trostes und der Unterstützung aus, die Ermutigung und Erneuerung der Hoffnung bringen.“

Abschlussgebet

Guter Gott, schenke uns deinen Heiligen Geist, damit wir die Zeichen der Zeit erkennen. Er öffne uns die Au-gen. Er nehme weg, was uns voneinander trennt. Er gebe uns Geduld, aufeinander zu hören und die Menschen zu sehen, die uns brauchen. Um diesen deinen Geist des Dienens bitten wir dich, guter Gott, mit Jesus, deinem Sohn, jetzt und alle Tage, Amen.

Und so segne Du uns Gott, Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist, Amen.

Lied zum Abschluss

GL 400 Ich lobe meinen Gott...