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Ruanda: Aussichten einer Entwicklungsdiktatur

04. Aug 2010

Im Vorfeld der Präsidentenwahl am 9.8.2010 bekommen die politische Opposition, die Presse und Menschenrechtsorganisationen die zunehmende Repression zu spüren. Dabei ist die Wiederwahl von Präsident Kagame ohnehin sicher. pax-christi-Vertreter machen im Vorfeld der Präsidentenwahl (9.8.) auf einer Veranstaltung des Ökumenischen Netzes Zentralafrik…

Bei der gut besuchten Veranstaltung unter dem Titel „Ruanda – Zwischen Demokratie und Diktatur? Expertendiskussion zu den Präsidentschaftswahlen“ diskutierten Joel Sengi und Heinz Werner Wessler für pax christi mit Gerd Hankel (Hamburger Institut für Sozialforschung) und der ruandischen Botschafterin Christine Nkulikiyinka. Moderiert wurde die Veranstaltung in der Katholischen Akademie von Ilona Auer-Frege, der Koordinatorin des Ökumenischen Netzes Zentralafrika.

Trotz der international vielfach gelobten positiven Entwicklungsindikatoren greifen Nahrungsmangel, Armut, Arbeitslosigkeit und Entfremdung der Menschen vom Staat um sich, wie Joel Sengi deutlich machte. Gleichzeitig sind viele Politikbereiche tabuisiert, Anfragen an den regierungsamtlich betriebenen Versöhnungsdiskurs, wie er etwa durch die Ingando-Camps verbreitet wird, werden unterdrückt (Gerd Hankel). Die aktuelle Zunahme der Repression ist vielleicht aus internen Machtkämpfen zu erklären, die seit einigen Monaten Aufsehen erregen. Doch schon seit Jahren stehen Abweichungen von der vorherrschenden Meinung unter Generalverdacht, der Verdacht des „Divisionismus“ ist ein Totschlagargument (Heinz Werner Wessler).

Die Botschafterin Nkuliyinka bestätigte, dass in der Tat Angst im Lande herrscht. Die Angst gehe aber auf die Traumatisierung durch den Genozid von 1994 zurück. Die Menschen wollten vor allem Frieden und Sicherheit. Auch in Deutschland habe es Jahrzehnte gedauert, bis der Holocaust öffentlich wirklich thematisiert worden sei. In Ruanda müssten Täter und Opfer zusammen leben.

Auch auf offizieller Seite wird anerkannt, dass genozidales Denken in Ruanda auch heute noch verbreitet ist. Die Frage ist nur, wie damit umzugehen ist. Wie lange lassen sich die politisch instrumentalisierten Geschichts- und Versöhnungsdiskurse durchhalten? Solange die Wirtschaft boomt, vor allem in Kigali, herrscht Ruhe, aber die Einseitigkeit der Politikdiskurse könnte sich langfristig rächen. Gerd Hankel sieht die Politik in Ruanda als ein selbstreferentielles System, in dem Loyalitätserklärungen kritische Politikdiskurse ersetzen. Entwicklungsdiktaturen hätten sich nicht nur in Afrika, sondern auch in Südamerika immer langfristig als Misserfolg herausgestellt. Joel Sengi verglich die aktuelle Lage in Ruanda in diesem Zusammenhang mit dem Turmbau zu Babel. Die Botschafterin stimmte zu, dass mehr politische Partizipation im Lande erreicht werden müsse, gab sich aber zuversichtlich, dass dies durch die laufende Dezentralisierung auf gutem Weg ist.