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TTIP ist Gefahr für Menschen und Natur

05. Jun 2014

Kommentar der Kommission „Globalisierung und soziale Gerechtigkeit

„Das geplante transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU verdient unsere kritische Aufmerksamkeit“, erklärt Stefan Leibold, Sprecher der Kommission. „Wenn es Wirklichkeit wird, verschärfen die Maßnahmen die Lebenssituation vieler Menschen in Europa, den USA und weltweit.“ Mittlerweile regt sich an vielen Orten Widerstand gegen das Abkommen. Eine Gefahr, die Stefan Leibold sieht: „Das TTIP soll als "living agreement" gestaltet werden. D. h. bei jeder neuen Gesetzesinitiative müsste frühzeitig geprüft werden, ob sie einen "wesentlichen" Einfluss auf den transatlantischen Handel hätte. Derartige Klauseln würden es den europäischen und amerikanischen Konzernen erlauben, ihr Lobbying extrem auszuweiten, weil sie auf beiden Kontinenten ständig einbezogen werden müssten.“

Das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership): Warum es uns alle interessieren sollte
Warum wollen die USA und die EU jetzt ein Freihandelsabkommen? Hintergrund sind veränderte Kräfteverhältnisse auf dem Weltmarkt: China und andere Schwellenländer gewinnen, EU und USA verlieren an Bedeutung. Insgesamt ist der Welthandel in den Jahren 2001 bis 2012 um 78 Prozent gewachsen, pro Jahr um durchschnittlich 5,4 Prozent. Ihren Weltmarktanteil steigern konnten allerdings nur die Länder Süd- und Ostasiens - von gut einem Drittel auf mehr als die Hälfte. Der Weltmarktanteil Chinas allein beträgt inzwischen rund 15 Prozent. (IMK Report 83, Juni 2013). Diese verloren gegangenen Anteile und damit verbundenen Profite wollen EU und USA zurückerobern. Dafür versprechen sie einiges: Bis 2027 solle zwei Millionen Jobs weltweit entstehen, 180.000 in Deutschland. Das ist angesichts der (erheblich geschönten) Arbeitslosenzahlen im Millionenbereich nicht gerade viel. Auch das von der EU-Kommission angenommene Wirtschaftswachstum von 0,5% beträgt über zehn Jahre gerade mal 0,05% im Jahr. Wachstum und Beschäftigung dürften in den verschiedenen Regionen überdies sehr unterschiedlich ausfallen - wenn es denn solche Entwicklungen überhaupt gibt.
Denn: Werden sich diese Erwartungen erfüllen? Hier ist ein Blick auf die Nordatlantische Freihandelszone (NAFTA) interessant. Gewinner des NAFTA sind in erster Linie Investoren und Konzerne.

Dass es genau darum geht, sieht man am im TTIP vorgesehenen Instrument des Investitionsschutzes: Mit dem Ziel des Schutzes „legitimer Gewinnerwartungen“ genießen die Schutz vor direkter und indirekter Enteignung einschließlich des Rechts auf Entschädigung. Konzerne können also Staaten verklagen, wenn diese ihre Gewinninteressen schmälern.

Was heißt aber „indirekte Enteignung“? Diese geschieht durch strengere Umweltgesetze im anderen Wirtschaftsblock. Dazu würden z. B. die Anhebung der ägyptischen Mindestlöhne und ein 
Moratorium gegen Fracking in Kanada zählen. Konzerne können, wenn sie sich in dieser Weise enteignet fühlen, ein „Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren“ anstrengen. Hochbezahlte Wirtschaftsanwälte entscheiden dann anonym über Schadenersatz, den die Staaten zahlen müssen-aus Steuergeldern natürlich. Eine Kontroll- oder Revisionsinstanz gibt es nicht.
Die Entscheidungen haben öffentlich-rechtliche Wirkung und sind bindend für Bund, Land und Gemeinden.

Märkte sollen also geöffnet und dereguliert werden: etwa im Bereich Landwirtschaft und Ernährung (hier geht es um die relativ hohen EU-Standards für Lebensmittel, „Chlorhähnchen“ und genetisch veränderte Lebensmittel sind z. B. bisher in der EU verboten), im Bereich Dienstleistungen (hier steht die staatliche Förderung von Bildung und Gesundheit, Wasser, Energie und Verkehr auf dem Spiel, die stärker als bisher profitorientierten Unternehmen geöffnet werden sollen) oder im Bereich der öffentlichen Beschaffung (das, was Bund, Länder und Kommunen brauchen), in dem die Förderung regionaler Wirtschaft eine Diskriminierung darstellt.

Der Druck auf die Löhne und die regulären Beschäftigungsverhältnisse ist ein Bereich, der die Gewerkschaften beim TTIP umtreibt. Die Brisanz der Regelungen sollte deutlich geworden sein, und man versteht auch, dass die Verhandlungen im Geheimen stattfinden und nur durch Indiskretion bekannt wurden. 

Jetzt ist anzunehmen, dass die Verhandlungen so erfolgreich nicht sein werden und vieles scheitert. Trotzdem schreibt die Anti-Lobby-Vereinigung Corporate Europe Observatory: 
"Es kann sehr gut sein, dass der endgültige TTIP-Text keine unmittelbaren Zugeständnisse in Bezug auf das Gesundheitswesen oder Umweltrichtlinien enthält." USA und EU könnten sich zunächst nur auf Standards einigen, die wenig Verhandlungsaufwand erfordern, z. B. Auf die Leuchtfarbe von Autoblinkern. Die NGO warnt vor den Verfahrensweisen, auf die sich Amerikaner und Europäer verständigen könnten, um sich langfristig weiter anzunähern. Das TTIP soll nämlich als "living agreement" gestaltet werden. D. h. bei jeder neuen Gesetzesinitiative müsste frühzeitig geprüft werden, ob sie einen "wesentlichen" Einfluss auf den transatlantischen Handel hätte. Derartige Klauseln würden es den europäischen und amerikanischen Konzernen erlauben, ihr Lobbying extrem auszuweiten, weil sie auf beiden Kontinenten ständig einbezogen werden müssten. Solche formalen Regeln sind gefährlich, wie man an den bereits bestehenden Investorenschutzklauseln sieht, von denen es mehr als 3.200 gibt und die es bspw. Vattenfall ermöglichten, die Bundesrepublik auf 3,7 Milliarden. Euro Schadenersatz zu verklagen, weil die Atomkraftwerke Krümmel und Brunsbüttel vorzeitig abgeschaltet wurden. Auch wenn die Verhandlungen vordergründig scheitern, sind und bleiben die Staaten im Zangengriff großer Konzerne.

Und genau dies treiben diese selbst seit Jahren aktiv voran. Die fortschreitende Auflösung von eh immer schon begrenzten Möglichkeiten der Mitbestimmung der Bürger über ihr Schicksal ist nicht zuletzt durch die wirtschaftspolitischen Vereinbarungen in der EU weit voran geschritten-und wird von den meisten als „Sachzwang“ hingenommen. Widerstand ist notwendig!

Weitere Infos
http://www.attac.de/kampagnen/freihandelsfalle-ttip/ 
http://www.umweltinstitut.org/themen/verbraucherschutz/freihandelsabkommen.html
http://www.publik-forum.de/kampagne/der-beutezug