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Nordsyrien: Völkerrechtliche Konsequenzen

29. Okt 2019

Die pax christi-Delegiertenversammlung fordert die Bundesregierung auf, sich für völkerrechtliche Konsequenzen für die türkische Invasion in Nordsyrien einzusetzen, weil diese einen Verstoß gegen das Gewaltverbot der Vereinten Nationen darstellt

Die Türkei unter Präsident Erdogan startete am 9.Oktober die Militäroffensive „Friedensquelle“ in Nordsyrien, nachdem die US-Truppen aus diesem Gebiet abgezogen wurden. Die Angriffe richteten sich gegen die kurdische Miliz YPG in diesem Gebiet, mit dem Ziel, diese gewaltsam aus der Grenzregion zu vertreiben. Weder waren von den kurdischen Kräften zuvor Aggressionen gegen die Türkei ausgegangen oder drohten, noch hatte die syrische Regierung um militärische Unterstützung gegen die YPG gebeten. Nur eine solche syrische Anfrage aber hätte den Einmarsch des Militärs völkerrechtlich als Selbstverteidigung legitimieren können. 

Hunderttausende Zivilist*innen verließen vor der Gewalt fliehend die Region. Nach tagelang anhaltenden Kämpfen wurde eine Waffenruhe vereinbart, in der die kurdischen Kräfte sich aus der Grenzregion zurückziehen sollten. Kurz vor Ablauf der Feuerpause vereinbarten die Präsidenten der Türkei und Russlands am 22. Oktober in Sotchi u.a. die Einrichtung einer sogenannte „Sicherheitszone“ in Nordsyrien, die gemeinsam von russischen mit türkischen sowie russischen mit syrischen Patrouillen abgesichert werden soll. Damit werden der völkerrechtswidrig erzwungene Abzug der kurdischen Milizen, die Vertreibung der überwiegend kurdischen Bevölkerung aus dem Grenzgebiet und dessen zeitweise Besetzung militärisch abgesichert. Hier hat sich einmal mehr das Recht des Stärkeren gegen die Stärke des Rechts durchgesetzt. 

pax christi sieht darin auch ein Scheitern der deutschen Diplomatie. Deutsche Verantwortung in der Welt hätte für pax christi bedeutet, weitsichtig präventive Maßnahmen im Dialog mit der türkischen Regierung zu ergreifen.  Dies wurde auch im Rahmen der internationalen Kooperation versäumt. Innerhalb der NATO ist es nicht gelungen ist, eine gemeinsame Position gegenüber dem Mitglied Türkei zu entwickeln. Spätestens nach den militärischen Übergriffen der Türkei dreimal zuvor, im Juni 2015, im August 2016 und im Frühjahr 2018 war das Problem virulent und hätte auf der Basis des vereinbarten Wertekanons bearbeitet werden müssen. Hier fehlen Sanktionsmöglichkeiten im Rahmen der NATO.  

Auch im UN-Sicherheitsrat und im Europäischen Rat gelang es nicht, die türkische Invasion als völkerrechtswidrigen Einsatz zu verurteilen.  Seitens Europas erfolgte nur eine Verurteilung der „einseitigen militärischen Gewalt“ und die Forderung nach Beendigung derselben. Auf ein gemeinsames Waffenembargo gegenüber der Türkei konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EU nicht einigen.  Die Bundesregierung hat nur zugesagt, keine neuen Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter zu erteilen, die explizit in Syrien eingesetzt werden könnten. Ein konsequenter Stopp aller bereits genehmigten Rüstungsexporte sowie neuer Ausfuhrgenehmigungen wurde hingegen nicht veranlasst. Die türkischen Angriffe auf die Kurden in Nordsyrien dürfen nicht ungestraft bleiben. 

Die pax christi-Delegiertenversammlung fordert die Bundesregierung auf
  • sich dafür einzusetzen, dass eine unabhängige Untersuchung der von Amnesty International und anderen Organisationen erhobenen Vorwürfe von Kriegsverbrechen durch die Konfliktparteien eingeleitet wird, welche z.B. durch den UN-Menschenrechtsrat mandatiert werden kann
  • sich im UN-Sicherheitsrat gemäß Art. 13 lit. b) des Römischen Statuts für eine Überweisung des Falls an den Internationalen Strafgerichtshof einzusetzen, der gegen den türkischen Präsidenten Erdogan wegen der militärischen Invasion in Nordsyrien (Vor-)Ermittlungen einleiten kann. 
  • keine sogenannte Sicherheitszone zu befürworten, die geeignet wäre und/oder dazu beitragen kann, die Besetzung Nordsyriens durch die Türkei nachträglich zu legitimieren.
  • sich für eine Konfliktbearbeitung unter UN-Mandat einzusetzen.
  • Der Deutsche Bundestag wird aufgefordert, 
  • das Mandat bewaffneter deutscher Streitkräfte in Irak und Syrien sofort zu beenden;
  • kein Mandat der Bundeswehr zu gewähren, das dazu geeignet wäre und/oder dazu beitragen kann, die Besetzung Nordsyriens durch die Türkei zu legitimieren.

Diese Resolution hat die pax christi-Delegiertenversammlung am 27.10.2019 in Fulda beschlossen.