Ostermarsch in Frankfurt
28. Mrz 2016
Rede zum Ostermarschabschluss auf dem Frankfurter Römerberg
Am Ostermontag, 28. März 2016, 13.00 Uhr
Wiltrud Rösch-Metzler, pax christi Bundesvorsitzende
Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,
Ich grüße euch ganz herzlich.
(Danke, dass ich zu euch als Bundesvorsitzende der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi sprechen darf.) Das Christentum hat viel zu Krieg beigetragen: durch Kreuzzüge, Appelle an Soldaten für Volk und Vaterland zu sterben oder Waffensegnungen. Dabei ist Friede die zentrale Botschaft der Bibel. Der auferstandene Christus sagt uns den Frieden zu. Doch w i r müssen uns kümmern. W i r müssen für Gerechtigkeit und Frieden eintreten. „Wir“ das sind alle, die auf eine gerechte und friedliche Welt hoffen, Menschen wie wir hier auf dem Römerberg.
Auf Krieg liegt kein Segen. Gewalt funktioniert nicht. Hinter uns liegt die Karwoche und Jesu letzter Satz, bevor er verhaftet, gefoltert und gekreuzigt wurde, lautete „Stecke dein Schwert in die Scheide.“ Jesus sagte das zu Petrus, der ihn mit seinem Schwert verteidigen wollte. Er ergänzte: „Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ Dieser Satz Jesu wurde jahrhundertelang überhört. Er wird weiterhin überhört. Immer noch werden Schwerter gezogen in der fälschlichen Annahme, den anderen durch Gewalt stoppen zu können.
Wir stehen vor einer neuen Aufrüstungswelle. Das Kabinett will den Militärhaushalt 2017 um knapp 7% erhöhen! Deutschland gibt in diesem Jahr 36 Milliarden Euro fürs Militär aus. Wir können unser Geld doch vernünftiger ausgeben, Flüchtlinge aufnehmen und integrieren, Schulen, Wohnungen und Infrastruktur verbessern, und weltweit zivile Strukturen und eine gerechte Wirtschaft unterstützen. Das ist doch in unserem Interesse! Ähnlich wie bei der Aufnahme der Flüchtlinge, die Menschen auf der ganzen Welt als humane Geste verstehen und gut finden, würde Deutschland damit ein Zeichen setzen für Verantwortung in der Welt.
Weltweit aufgerüstet wird bei Atombewaffnung und automatisierter Kriegsführung. Der bewaffnete Drohnenkrieg ist nicht länger den USA, Israel und wenigen anderen vorbehalten. Auch die Bundesregierung least nun bewaffnungsfähige Drohnen. Soldaten sollen dadurch besser geschützt werden, heißt es. Der Einsatz von Killerdrohnen ist aus unserer Sicht ethisch nicht zu rechtfertigen. Sie töten jemanden, von dem man annimmt, dass er gefährlich werden könnte oder dass er ein Verbrechen begangen hat. Diese rechtswidrigen gezielten Tötungen treffen auch Unbeteiligte. Wie soll so eine örtliche Bevölkerung für einen späteren Frieden gewonnen werden? „Eine Strategie der kompletten Risikovermeidung durch Fernsteuerung und Automatisierung wird „Herzen und Verstand“ der Bevölkerung nicht gewinnen können“, sagen Friedensethiker. Schon jetzt ist Deutschland indirekt an Drohnenangriffen beteiligt; die US-Airbase Ramstein in der Pfalz gilt als „Relaisstation“ für amerikanische Drohneneinsätze. Protestbriefe ans Bundeskanzleramt werden abwiegelnd beantwortet. Deshalb protestieren wir dort öffentlich! (Proteste sind auch an anderen Orten nötig. Ich selber wohne etwa einen Kilometer vom US-Kommando AFRICOM in Stuttgart entfernt, das die Drohnenangriffe auf afrikanische Länder koordiniert. Ende August wird es dort eine Protestaktion der Lebenslaute geben.)
Alle Parteien im Bundestag haben die Bundesregierung aufgefordert, auf den Abzug der Atomwaffen aus Deutschland hinzuwirken. Dennoch sollen die 20 in der Eifel verbliebenen Atomwaffen bald gegen neue B 61-12 Atombomben ausgetauscht werden. Wenn in dieser Woche in Washington der Atom-Sicherheitsgipfel stattfindet, geht es dort leider nur um die wichtige Frage, wie Nuklear-Terrorismus verhindert werden kann, nicht aber darum, dass Atomwaffen endlich abgeschafft werden. Geben wir die Atomwaffen in Büchel zurück an ihren Hersteller!
Zur fehlenden Abrüstung, kommt die Zunahme der Waffenexporte. „Händler des Todes“, wie Papst Franziskus die Waffenfabriken bezeichnet, beliefern Milizen und Regierungen. Banken finanzieren diese Geschäfte. Wer Waffen herstellt oder in die Waffenindustrie investiert, kann sich nicht ernsthaft als Christ bezeichnen, sagt der Papst.
Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI nennt die fünf größten Exporteure von Großwaffen zwischen 2011- 2015: die USA, Russland, China, Frankreich und Deutschland. Deutschland lieferte an 57 Staaten. Hauptkunden waren die USA, Israel und Griechenland. Der Bundessicherheitsrat hat im Jahr 2015 Rüstungsexporte in Höhe von 12,8 Milliarden Euro genehmigt, fast doppelt so viel wie 2014 mit 6,5 Milliarden Euro. Erschreckend gestiegen sind auch die Genehmigungen in die Konfliktgebiete des Mittleren Ostens und Nordafrikas von 1,3 Milliarden auf 3,2 Milliarden. Vor allem die Panzerlieferung nach Katar für 1,6 Milliarden und das U-Boot nach Israel mit 350 Millionen schlagen da zu Buche, Katar, das laut Medienberichten den IS mit Waffen versorgt hat und Israel, das seit 49 Jahren Palästina besetzt hält. Firmen wie Airbus, Heckler & Koch oder Rheinmetall verdienen im Rüstungsgeschäft eine goldene Nase.
Auch die Bundesregierung ist zum „Händler des Todes“ geworden, indem sie Waffen an die Peschmerga-Miliz im Nordirak liefert. War anfangs der Grund für diese Waffenlieferung die Rettung der Jeziden, ist daraus mittlerweile eine stabile deutsch-kurdische militärische Zusammenarbeit geworden. Mit einer humanitären Begründung wurde der Tabubruch Waffenlieferung an eine Miliz durchgesetzt. Durch Waffenlieferungen wird man zur Kriegspartei, die eine Seite unterstützt. Wie wirkt eine Waffenlieferung an Israel auf das besetzte Palästina? Wie eine an die Kurden auf arabische Sunniten und auf Schiiten im Irak? Mit Entwicklungshilfe für die andere Seite ist Waffenhilfe nicht wett zu machen. Nur ein Stopp von Waffenlieferungen verhindert eine weitere militärische Aufrüstung in die Kriegsregion Nahost und zwingt Parteien an den Verhandlungstisch. Wir fordern von der Bundesregierung einen Stopp aller Waffenexporte!
Kriegspartei wird Deutschland auch durch Auslandseinsätze der Bundeswehr. Im neuen Weißbuch der Bundeswehr, das im Sommer erscheinen soll, geht es voraussichtlich auch um die Sicherung ökonomischer und geostrategischer Interessen. In den verteidigungspolitischen Leitlinien von 2011 heißt es zum deutschen Sicherheitsinteresse gehören ein freier und ungehinderter Welthandel sowie der freie Zugang zur Hohen See. Dafür gibt es weder eine verfassungsrechtliche noch eine völkerrechtliche Grundlage. Die Bundeswehr darf nicht eingesetzt werden, um nationalen Wohlstand zu wahren, um Flüchtlinge abzuwehren, um freie Märkte und freien Warenfluss zu erhalten, um Handels- und Seewege abzusichern, um Energie- und Rohstoffversorgung sicherzustellen. Solche Militärdoktrinen widersprechen fundamental der christlichen Friedensethik. Nur über eine gerechte Weltwirtschaft, die auch die Interessen der Globalisierungsverlierer einschließt, ist ein friedlicher Welthandel möglich. Wir fordern von der Bundesregierung das internationale Gemeinwohl in den Mittelpunkt zu stellen.
Gibt es ein Land, dem es nach einer Militärintervention besser geht? Die Beispiele aus der jüngsten Vergangenheit sind deprimierend. Afghanistan, Irak, Libyen sollten eine Mahnung sein. Libyen droht bereits die nächste Militärintervention. In diesen Ländern wurde keine stabile und friedliche Nachkriegsordnung geschaffen. Daraus nun den Schluss zu ziehen, früher militärisch einzugreifen, wie es Verteidigungspolitiker tun, ist militärischer Aktionismus, der ausblendet wohin das Ganze führen soll. Das internationale Regelwerk UN darf nicht außer Kraft gesetzt werden. Das gilt auch für die deutsche Kriegsbeteiligung in Syrien.
Anfang Dezember, knapp drei Wochen nach den Terroranschlägen von Paris, hat der Bundestag eine Beteiligung Deutschlands am Krieg gegen den IS in Syrien und im Irak beschlossen. Bis zu 1.200 Soldaten und Soldatinnen sollen die internationale Allianz gegen den IS unterstützen. Die Mandatierung der Bundeswehr, die auf die Vorbereitung der Beteiligung an einem Angriffskrieg – hinauslaufen könnte, wäre strafbar (gemäß GG Art. 26 (1). Daher wenden wir uns an die Soldatinnen und Soldaten des Syrien-Kontingents und bitten sie zu prüfen, ob das von ihnen verlangte Handeln mit ihrem Gewissen in Einklang steht. Falls nicht, können sie ihren Dienstherrn um eine gewissenskonforme Verwendung ersuchen.
Was die internationale Koalition mit ihrem „Krieg gegen den Terror“ anrichtet, berichten Einwohner Mossuls. Sie haben in diesem Jahr schon zehn Bombenangriffe erlebt. Ein Augenzeuge, der Familienangehörige verloren hat, berichtet: Eine Bombe sei in einem lokalen Lagerhaus gelandet, in einer Gegend in der vor allem interne Flüchtlinge leben. Ziel sei vermutlich eine IS-Fabrik in der Nähe gewesen, die nicht getroffen wurde. Stattdessen seien 21 Menschen gestorben, darunter 13 Kinder. In Angst und Schrecken sitzen die Einwohner in der einstigen Zwei Millionen Stadt fest: Wird der IS sie flüchten lassen? Wird der Mossul Damm standhalten? Werden sie ausgehungert? Welche Mächte werden in Mossul kämpfen? Der IS nutzt die zivilen Toten für seine Propaganda. Der „Krieg gegen den Terror“ wird zum Terroristen-Rekrutierungsprogramm.
Einer, dem die Flucht ins Ausland gelungen ist, ruft die Einwohner Mossuls auf, ebenfalls zu fliehen. Mehr Luftangriffe führen zu mehr Flüchtlingen. Krieg ist aber eine menschengemachte Fluchtursache. Sie kann beseitigt werden. Wir fordern die Abschaffung des Krieges. Wir fordern das Menschenrecht auf Frieden!
Wir trauern um die Terroropfer von Brüssel und Lahore. Wir trauern um alle Terroropfer weltweit. Willkürliche Gewalt, Terror ist ein Verbrechen, das wir aufs Schärfste verurteilen. Die Antwort darauf darf jedoch nicht von Angst, Hass und Vergeltung geleitet sein. Angst und Hass sind die Saat des Terrors. Wir fordern, die Täter zur Verantwortung zu ziehen, aber wir gönnen ihnen nicht den Triumph, dass unsere Gesellschaften militarisiert werden. Unsere Antwort ist aktive Gewaltlosigkeit und Respekt gegenüber unserer muslimischen Bevölkerung.
Wir brauchen Medien, die die Ursachen von Gewalt aufdecken. Wir brauchen mutige Journalisten wie Gideon Levy, der auf Besatzung und Unterdrückung der Palästinenser hinweist. Wir brauchen Anwälte wie Robert Kennedy Junior, der auf die CIA-Operationen seit den 50er Jahren gegen Syrien aufmerksam macht, wir brauchen Wikileaks und Edward Snowdon. Wir brauchen aber auch Zeugen der Gewaltfreiheit wie den syrisch-katholischen Priester Jacques Mourad. Er war im Mai letzten Jahres vom IS gekidnappt und nach Raqqa verschleppt worden. Drei Monate später wurde er wieder in seine Gemeinde zurück gebracht. Nachdem er zuletzt zusammen mit einem Sunniten jungen Christinnen geholfen hatte, einer Zwangsheirat mit IS-Kämpfern zu entkommen, musste er aus Syrien fliehen. Er glaubt, dass sein Einsatz für den christlich-muslimischen Dialog, dem er sein Leben in Syrien gewidmet hatte, ihn gerettet hat. Von uns fordert er: „Die Menschen in Deutschland sollen sich für eine politische Lösung der Konflikte im Nahen und Mittleren Osten einsetzen. Ich bin ganz fest überzeugt: Gewalt erzeugt nur Gegengewalt. Vor allem Syrien und Irak brauchen nötiger denn je den Dialog.“
Der andere Konfliktherd mit Auswirkungen auf den Weltfrieden ist die Ukraine. Er zeigt, dass die „Charta von Paris für ein neues Europa“ aus dem Jahr 1990 Konfrontation und die Teilung Europas nicht wirklich beenden konnte. Das Ringen um Kooperation und Frieden in Europa muss weitergehen. Russland hat nicht nur den Kalten Krieg verloren. In Jahren darauf wurden seine Einwände und Interessen meist beiseitegeschoben. Ostdeutschland als wiedervereinigtes Deutschland, und viele andere Länder gingen in die Nato. Jetzt ist Montenegro in die Nato eingeladen. Zu dieser von Russland scharf kritisierten Nato-Osterweiterung kommt der neue Nato-Raketenschirm hinzu, der angeblich dem Schutz vor iranischen Atomraketen gilt. Obwohl sich der Iran verpflichtet hat, keine Atomraketen zu bauen, hält die Nato an den Stützpunkten z.B. in Rumänien und in Polen fest. Auch die von den baltischen Ländern und Polen gewünschte Nato-Speerspitze gegen eine Bedrohung durch Russland, ist mittlerweile eingerichtet. Zum ersten Mal hat Nato-Generalsekretär Stoltenberg eine permanente Stationierung von Nato-Truppen in den baltischen Ländern, was der Nato-Russland Pakt eigentlich verbietet, nicht mehr ausgeschlossen. Die Liste der westlichen Fehler ließe sich verlängern.
Zu den russischen Vergehen gehört: Menschenrechtsverletzungen in Russland, die Annexion der Krim, die Beteiligung an der Kriegsführung in der Ostukraine oder die Unterstützung für Assad. Um die Bewertung der russischen Politik und der Politik des Westens gegenüber Russland ist ein heftiger Streit entbrannt. Initiativen aus dem Kreis der SPD, der Grünen, der Linken, aus EKD, der Industrie und Friedensbewegung treten für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik unter Einbeziehung Russlands ein.
Die ukrainische Krise ist Ausdruck eines heraufziehenden russisch-euroatlantischen Großkonflikts, der in eine Katastrophe münden kann, wenn die Spirale des Wettrüstens, der militärischen Provokationen und konfrontativen Rhetorik nicht gestoppt wird, warnen Walter Stützle und Antje Vollmer. Russland darf nicht zum Feind gemacht werden, erklären die Kirchenleute Elisabeth und Konrad Raiser, Almuth Berger und Heino Falcke. Sie wollen, dass sich die EU „als zivile Friedensmacht“ bewährt. Ein Sicherheitskonzept im Sinne der Charta von Paris für ein neues Europa fordert der vom kürzlich verstorbenen Friedensforscher Andreas Buro mitinitiierte Berliner Appell.
Der Ukraine-Konflikt und die Flüchtlingskrise sind dringender Anlass, für eine neue Entspannungspolitik unter Einbeziehung Russlands zu kämpfen. Getreu der Maxime von Egon Bahr erfordert Friedenspolitik „gemeinsame Konfliktlösungen mit anderen, die unsere Werte nicht teilen“. Eine Politik, die weiter auf Sanktionen und die Isolierung Russlands setzt, löst die Konflikte nicht. Die Durchsetzung einer neuen Entspannungspolitik erfordert das Engagement von uns allen. Die positive Rolle, die die OSZE in der Ukraine spielt, sollte ausgebaut werden und auf den Türkei/Kurdenkonflikt hin angewendet werden. Zu einer aktiven Friedenspolitik gehört auch die Einhaltung und Stärkung des internationalen Rechts. Mit den Vereinten Nationen haben die Staaten der Welt eine Institution geschaffen, die für den Weltfrieden zu sorgen hat. Die UN und ihre Organisationen müssen Hauptakteure sein.
Die Kriege um uns herum, 28 im vergangenen Jahr, belasten die Menschen. Fast sieht es so aus als könnten wir uns eine Welt ohne Krieg nicht mehr vorstellen. Wir müssen die Vorstellungskraft für Frieden wiedergewinnen! Träume, Musik, Gebet, Meditation, Malen, Gespräche können die Vorstellungskraft in uns erneuern. Gewaltlosigkeit beginnt mit der Idee, dass jeder Mensch deine Schwester, dein Bruder ist und Leben heilig ist.
Wie kann man selber aktiv den Gewaltstrukturen widerstehen?
1. indem man gewaltfrei/barmherzig zu sich selber ist, 2. indem man gewaltfrei dem Nächsten begegnet 3. und indem man sich der globalen Friedensbewegung anschließt. Ladet alle, die ihr kennt, ein, mitzumachen.
Ich danke euch.