Sig Sauer: Staatsanwaltschaft ermittelt
12. Jun 2020
Die Kampagne „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ hat am 30. April 2020 über ihren Tübinger Rechtsanwalt Holger Rothbauer erneut Strafanzeige gegen das Rüstungsunternehmen SIG Sauer gestellt - dieses Mal wegen illegaler Waffenlieferungen nach Mexiko und Nicaragua und sowie erneut nach Kolumbien. Es besteht der Verdacht des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie des wiederholten gewerbs- und bandenmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz.Bereits 2014 hatte „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ – ein Bündnis von weit über hundert
Organisationen – Anzeige gegen Verantwortliche von SIG Sauer wegen illegaler Exporte von 38.000 Pistolen
nach Kolumbien erstattet. Die darauffolgenden Ermittlungen führten 2019 zur Verurteilung von drei hochrangigen
Managern des Unternehmens durch das Landgericht Kiel zu Bewährungs- und Geldstrafen. Darüber hinaus
sollen von SIG Sauer die gesamten aus den illegalen Geschäften resultierenden Einnahmen von rund 11
Millionen Euro eingezogen werden, wogegen das Unternehmen Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt hat.
Die nun zweite umfassende Strafanzeige richtet sich gegen die bereits verurteilten Mitarbeiter sowie gegen
weitere Verantwortliche bei SIG Sauer in Deutschland und in den USA. Sie beruht in wesentlichen Teil auf
Recherchen des Regisseurs Daniel Harrich sowie der SWR-Journalisten Thomas Reutter und Manfred
Hattendorf (ARD-Doku „Tödliche Exporte 2“). Der Weg der Pistolen im Wert von mehreren Millionen Euro erfolgte
über den Umweg der SIG Sauer Inc. in den USA nach Mexiko, Kolumbien und Nicaragua, ein beträchtlicher
Anteil davon mit den Aufdrucken „Made in Germany“ oder „Beschussamt Kiel“.
Holger Rothbauer, Rechtsanwalt der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, erklärt dazu:
„Sollte sich der Verdacht bestätigen, dass noch während des am Landgericht Kiel laufenden ersten
Strafverfahrens die gleichen Straftaten mit neuen Verstößen gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch
tausendfachen Export von Pistolen in Bürgerkriegsländer – wohlgemerkt von bereits wegen der gleichen Delikte
verurteilten Geschäftsführern und Verantwortlichen bei SIG Sauer – begangen wurden, dann wäre dies der
juristische Mount Everest von kriminellem Verhalten. Dann dürfte es für diese Abscheulichkeit sicherlich keine
Bewährung mehr im nächsten Strafurteil geben. Die Staatsanwaltschaft Kiel bestätigt den Anfangsverdacht und
hat ein Ermittlungsverfahren mit Aktenzeichen eingeleitet.“
Anzeigeerstatter Jürgen Grässlin erklärt: „Dieser Vorgang ist einmalig in der bundesdeutschen
Rüstungsexportgeschichte und zeugt von einer nie da gewesenen Skrupellosigkeit: Denn die Bewährungsstrafen
durch das Landgericht Kiel im Fall der illegalen Pistolenexporte nach Kolumbien beruhten auf der Annahme, dass
die Verurteilten von SIG Sauer nie wieder illegal Waffen exportierten würden. Stattdessen nutzte SIG Sauer die
Lücke, die auf dem mexikanischen Waffenmarkt durch das Rüstungsexportverbot der Bundesregierung für
Mexiko infolge unserer Strafanzeige gegen Heckler & Koch entstanden war.“ Laut Grässlin, Sprecher der der
„Aktion Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel!“ und der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) „sind die Folgen dieses Kleinwaffendeals tödlich. Aufgrund dieser wohl
erneut illegalen Waffentransfers von SIG-Sauer-Waffen in die drei lateinamerikanischen Länder werden unzählige
unschuldige Menschen verstümmelt oder getötet.“
Ralf Willinger, Kinderrechtsexperte des Kinderhilfswerks terre des hommes und Mitglied des Trägerkreises von
Aktion Aufschrei, sagt: „Unsere Recherchen in Kolumbien belegen, dass die Pistolen, die SIG Sauer illegal nach
Kolumbien exportiert hat, dort für zahlreiche Verbrechen eingesetzt werden – von illegalen bewaffneten Gruppen;
wie Paramilitärs, Guerilla und Drogenkartellen, aber auch von Polizei- und Armeeangehörigen. Das ist den
Verantwortlichen bei SIG Sauer bekannt, und dennoch liefern sie offenbar illegal weiter nach Kolumbien, Mexiko
und Nicaragua. Diese rücksichtslose Geschäftspolitik auf Kosten der Menschen vor Ort muss dringend gestoppt
werden.“
Christine Hoffmann, Sprecherin der „Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel!“ und pax christi-Generalsekretärin sieht in dem neuerlichen Rüstungsexportskandal einen weiteren Beweis dafür, „dass der
Endverbleib von Kleinwaffen nicht kontrollierbar ist und auch Kleinwaffenexporte an NATO-Staaten wie die USA
alles andere als unproblematisch sind. Um wirklich zu verhindern, dass deutsche Kleinwaffen bei Gewalttaten
und Menschenrechtsverletzungen zum Einsatz kommen, dürfen diese nicht mehr exportieren werden. Ein
konsequentes Kleinwaffenexportverbot ist überfällig.“
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Kommission Rüstungsexporte
Rüstungsexport verschäft Konflikte und widerspricht christlicher Ethik. Seit vielen Jahren engagiert sich pax christi dafür, Rüstungsexporten aus Deutschland einen Riegel vorzuschieben. Waffen töten. Sie sind keine "normalen Handelsgüter" und dürfen es im Bewusstsein der Menschen und im wirtschaftlichen Alltag auch nicht werden.