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Kohlgraf Juli Büchel.jpg

Jeder Mensch hat Berufung, Frieden zu stiften

05. Jul 2021

Der 4. Kirchliche Aktionstag gegen Atomwaffen fand am 3. Juli 2021 in Büchel statt.

Der Ökumenische Friedensgottesdienst beim Aktionstag am Fliegerhorst Büchel in der Eifel Büchel mit der Predigt des pax christi-Präsidenten Bischof Peter Kohlgraf ist auf youtube dokumentiert und kann jederzeit unter folgendem Link angeschaut werden:
https://www.youtube.com/watch?v=1sJycCdPeW4&t=1123s


Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hat erneut bekräftigt, „dass es keine ethisch vertretbare Rechtfertigung eines atomaren Verteidigungsschlages geben kann“. „Die Zerstörungskraft von Atomwaffen ist so stark, dass jeder Schlag unverhältnismäßig und ungerecht sein wird“, sagte Kohlgraf, der auch Präsident der der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung pax  christi ist, am Samstag, 3. Juli, in seiner Predigt bei einem ökumenischen Gottesdienst vor dem Haupttor am Fliegerhorst Büchel, einem Atomwaffen-Standort.

Der Gottesdienst war Teil des vierten kirchlichen Aktionstages unter dem Motto „Für eine atomwaffenfreie Welt - Es ist 100 Sekunden vor 12“. Veranstaltet wurde der Tag von der 2017 gegründeten Projektgruppe „Kirchen gegen Atomwaffen“, die sich aus kirchlichen Friedensgruppen und Arbeitsstellen der Landeskirchen in Baden, Bayern, Hessen-Nassau, Kurhessen-Waldeck, Pfalz, Rheinland, Westfalen, Württemberg sowie der Friedensbewegung pax christi zusammensetzt. Die Projektgruppe fordert, dass „alle Atomwaffen aus Deutschland und Europa und weltweit abgeschafft werden, die Bundesregierung den Atomwaffenverbotsvertrag unterzeichnet und das Atomwaffenverbot im Grundgesetz verankert wird und die Bundesregierung die Außen- und Sicherheitspolitik zivil orientiert“.

Wörtlich sagte Bischof Kohlgraf: „Die Waffen hier in Büchel werden, sollten sie Einsatz finden, Menschen zerstören. Sie werden mehr Schaden anrichten, als dass sie auch nur irgendeinen Nutzen bringen würden. Sie werden Kindern und Jugendlichen die Zukunft zerstören, die selbst keinen Anteil am Konflikt haben; sie werden die Natur zerstören und vielen Menschen dauerhaft die Lebensgrundlage oder auch die Gesundheit nehmen. Natürlich hoffen wir, dass sie nie zum Einsatz kommen, aber ihre Präsenz hat nur dann einen Sinn, wenn ein Einsatz grundsätzlich nicht ausgeschlossen wird. Seit einiger Zeit haben wir festgestellt, dass dies keine theoretischen Gedankenspiele sind. Ich erinnere schmerzlich an die Situation zwischen den USA und Nordkorea, als die Präsidenten beider Länder damit prahlten, am nächsten am Einsatzhebel zu sitzen und die stärksten Waffen zu haben. Bereits Jesus in der Bergpredigt weiß, wie nahe der Einsatz von Gewalt an den Worten und den Gedanken der Menschen ist.“


Kohlgraf: „Wo mit Krieg gedroht wird, kann kein echter Friede wachsen“

Zur Frage der Abschreckung habe er bereits im eigenen Freundeskreis „schon kontroverse Diskussionen geführt“, bekannte Kohlgraf: „Die Waffen auch hier hätten uns viele Jahrzehnte Frieden garantiert. Ja, in Westeuropa haben wir nicht aufeinander geschossen. Aber wir können die Augen nicht davor verschließen, dass ein ‚kalter Krieg‘ kein Frieden ist, dass Säbelrasseln keinen Frieden im Sinne des Evangeliums darstellt, und dass die Bedrohung eines möglichen

Feindes keine echte Grundlage für Frieden darstellt. Daher ist allein der Besitz von Atomwaffen schon unmoralisch, so Papst Franziskus; wo mit Krieg gedroht wird, kann kein echter Friede wachsen.“ Gerade die Pandemie-Zeit habe den Widersinn von Aufrüstung deutlich vor Augen geführt, betonte Kohlgraf: „Die Situation in den armen Ländern ist verheerend, das Virus ist grenzüberschreitend vernichtend, die Klimaveränderungen sind für viele Menschen existenzzerstörend, Menschen fliehen, um sich und ihre Familien zu retten, der Hunger nimmt zu - aber die Menschheit rüstet ihre Waffensysteme auf.“

 

Kohlgraf hob hervor, dass sich Kirche in dieser Frage nicht aus der Politik heraushalten dürfe: „Kirche steht nicht nur für die Botschaft vom jenseitigen ewigen Leben. Das Reich Gottes beginnt hier und jetzt. Dieses Reich Gottes muss gestaltet werden, und es wächst immer im Zusammenspiel mit Menschen, die sich darauf einlassen. Dabei geht es um Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche. Jeder Mensch hat eine Berufung, Frieden zu stiften, aktiv für den Frieden zu arbeiten.“ Es sei zynisch, die Hoffnung auf Frieden als Utopie für Himmelreich und Jenseits abzutun, sagte der Bischof: „Als Christ, erst recht als Bischof, will ich in diese Logik nicht einstimmen. Ich werde auch nicht an der Logik vorbeikommen, dass es bei Gott keine Statistiken gibt, sondern dass er sich mit jedem Opfer von Krieg und Gewalt persönlich identifiziert. Ich darf auch eine andere ernste Botschaft nicht verschweigen: Kriegstreiber finden keine Sympathie in den Augen Gottes, wohl aber diejenigen, die Frieden stiften und sich für die Gerechtigkeit einsetzen.“ Und weiter: „Bedrohung, Rache, Säbelrasseln und Vergeltung sind keine Optionen im Reich Gottes. Wer einen Gekreuzigten verehrt und wer die Bibel ernst nimmt, muss nicht mit Applaus rechnen. Ich sage sehr bewusst, dass ich heute gerne mich zu diesem Gott bekenne, der Gott und Vater aller Menschen ist. An seiner Welt des Friedens arbeite ich gerne mit.“


Die Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz, Dorothee Wüst, sagte in ihrer Begrüßung: „Büchel macht deutlich, dass nukleare Abschreckung heute noch ein probates Mittel der Politik ist.“ Und weiter: „Wir wollen heute ein Zeichen setzen, dass und Friede etwas wert ist, weil Gott ihn für uns will.“ Mit dem Aktionstag sei zum einen das Gebet verbunden und zum anderen das politische Engagement. Mitgestaltet wurde der Gottesdienst außerdem von Diakon Horst-Peter Rauguth, dem Geistlichen Beirat von Pax Christi in Deutschland, und Ulrich Suppus von der Hunsrücker Friedensbewegung. Begonnen hatte der Gottesdienst um 11.58 Uhr mit einer Schweigeminute - also 100 Sekunden vor 12.00 Uhr. Das ist die Uhrzeit, mit der aktuell die „Doomsday Clock“ (Weltuntergangsuhr) vor einer atomaren Katastrophe warnt. Die „Doomsday Clock“ ist eine symbolische Uhr der Fachzeitschrift „Bulletin of the Atomic Scientists“. Während der Schweigeminute läutete die Friedensglocke auf der nahegelegen „Friedenswiese“. Aufgrund der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hatten die Veranstalter bis vor wenigen Tagen davon ausgehen müssen, dass nur 100 Teilnehmer zugelassen sein würden. Im Jahr 2019 waren über 1.000 Teilnehmer zum Aktionstag gekommen. Die eigentlich für den Aktionstag vorgesehen Kultur- und Redebeiträge sind auf der Internetseite der Projektgruppe „Kirchen gegen Atomwaffen“ als Videos verfügbar.