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EU: Kennzeichnung israelischer Siedlungsprodukte

12. Nov 2015

pax christi begrüßt EU-Kennzeichnungsbeschluss und fordert rasche Umsetzung auch in Deutschland.

Die EU-Kommission hat eine Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten beschlossen. Damit soll künftig in allen 28 EU-Mitgliedstaaten die korrekte Herkunftsbezeichnung für Erzeugnisse aus den besetzten Gebieten (dem Westjordanland und Ost-Jerusalem) sowie von den Golanhöhen eingeführt werden. Bislang wurden sie als „Produkte aus Israel“ bezeichnet. Laut der Entscheidung der EU-Kommission können Verbraucher künftig durch die Kennzeichnungspflicht entscheiden, ob sie Obst, Gemüse und Kosmetika aus völkerrechtswidrigen jüdischen Siedlungen in den besetzten Gebieten kaufen wollen. 

Produkte aus israelischen Siedlungen sind in hiesigen Geschäften für Verbraucher/innen bislang nicht als solche erkennbar, weil sie genau wie Waren aus dem Staatsgebiet Israels mit der Ursprungsangabe „Israel“ vermarktet wurden – eine klare Irreführung. 

Die pax christi-Nahostkommission hat deshalb vor drei Jahren ihre Obsttüten-Aktion „Besatzung schmeckt bitter. Kaufverzicht für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina“ gestartet, in der die eindeutige Kennzeichnung von aus israelischen Siedlungen stammenden Waren gefordert wurde. Zahlreiche Aktionen vor Ort und viele Berichte in den Medien haben dieses Thema besser bekannt gemacht. In Großbritannien werden Waren aus den israelischen Siedlungen seit 2009 eindeutig deklariert, in Dänemark und Südafrika seit 2012. Die größte Schweizer Supermarktkette Migros praktiziert dies seit Frühjahr 2013. In Großbritannien hat sich die Praxis entwickelt, dass kaum noch (als solche deklarierte) Siedlungsprodukte in den Geschäften und Supermärkten angeboten werden. 

Hintergrundinformationen

Israels systematische Siedlungs-, Abriegelungs- und Separationspolitik im Westjordanland nimmt der palästinensischen Bevölkerung wertvolle Ressourcen, inkl. Wasser. Die täglich stattfindende Verdrängung von Palästinenser/innen aus Ostjerusalem, die Hauszerstörungen in Ostjerusalem und im Westjordanland und die Blockade des Gazastreifens entziehen einem möglichen palästinensischen Staat die Lebensgrundlagen und lähmen viele Aspekte des Alltags- und Wirtschaftslebens. Israelische Firmen, die in den völkerrechtswidrigen Siedlungen auf besetztem palästinensischem Gebiet investieren und produzieren, aber auch internationale und deutsche Firmen sind Nutznießer dieser Besatzungspolitik. 

In der besetzten Westbank und in Ostjerusalem wohnen bereits heute über eine halbe Million jüdische Israelis in „Siedlungen“, die z.T. große Städte mit einigen Zehntausend Einwohner/innen sind, obwohl das Völkerrecht klar untersagt, die eigene Bevölkerung auf besetztem Land anzusiedeln. Hinzu kommt, dass Palästinenser/innen in der Zone C (61 % des besetzten Westjordanlandes) und in Ostjerusalem seit Jahren fast keine Baugenehmigungen erhalten. Für die palästinensische Bevölkerung stellte die internationale Gemeinschaft zuletzt jährlich etwa eine Milliarde Dollar an Unterstützung bereit. Ohne die israelische  Besatzung und die damit verbundenen Behinderung ihrer Aktivitäten würde die palästinensische Wirtschaft laut Schätzung der Weltbank ca. 3,4 Milliarden Dollar im Jahr verdienen. (Bericht Herbst 2014) 

Der Europäische Gerichtshof hat 2010 geurteilt, dass Siedlungen nicht zum Staatsgebiet Israels zählen. Die israelischen Siedlungen in der Westbank und in Ostjerusalem sind ein Haupthindernis auf dem Weg zu einem gerechten Frieden in Nahost. Die israelische Justizministerin Livni sprach sich laut dem christlich-evangelikalen Nachrichtenportal Israelnetz vom 27.1.2014 in einer Kabinettssitzung dagegen aus, „Kritik an der israelischen Siedlungspolitik … mit Antisemitismus gleichzusetzen… Wer dies tue, „schadet dem Kampf gegen Antisemitismus und distanziert uns von wichtigen Verbündeten, denen Antisemitismus vorgehalten wird, weil sie die Siedlungen kritisch sehen“. 

Die EU-Kommission erhielt vor über anderthalb Jahren vom Ministerrat den Auftrag, neue Leit- oder Richtlinien für eine genaue Kennzeichnung von israelischen sowie von Siedlungsprodukten zu erarbeiten. Was die EU bislang beschlossen hat, ist, dass keine EU-Fördergelder mehr in Siedlungen fließen sollen (EU-Leitlinien vom 19. Juli 2013 über die Förderfähigkeit israelischer Einrichtungen und ihrer Tätigkeiten in den von Israel seit Juni 1967 besetzten Gebieten im Hinblick auf von der EU finanzierte Zuschüsse, Preisgelder und Finanzinstrumente ab 2014, die am 1. Januar 2014 in Kraft traten). Die Vereinbarung über wissenschaftliche Kooperation „Horizon 2020“ zwischen der EU und Israel von Ende 2013 verbietet, dass EU-Fördermittel für akademische Forschung  zur Verfügung gestellt werden, die in den Siedlungen durchgeführt wird. 

Bis zur Erfüllung der Kennzeichnungspflicht in Deutschland hat die  pax christi-Nahostkommission zum Kaufverzicht aufgerufen, wenn es sich bei Waren mit der unklaren Herkunftsangabe „Israel“ um Siedlungsprodukte handeln könnte. Die Entscheidung für den Verzicht auf Waren aus völkerrechtswidrigen Siedlungen bedeutet, dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 2004 auf der Ebene der individuellen Konsumentscheidung Nachdruck zu verleihen.