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pax christi fordert Trennung von Westbank-Geschäft

18. Jun 2015

pax christi fordert von HeidelbergCement die Trennung vom Westbank-Geschäftsbereich. Der norwegische Pensionsfonds KLP schließt das Unternehmen wegen Verletzung grundlegender ethischer Normen aus seinem Investment-Portfolio aus.

Nach der jetzt bekannt gewordenen Entscheidung der größten norwegischen Lebensversicherung KLP, die HeidelbergCement AG und den mexikanischen Baustoffkonzern Cemex SAB de SV mit Wirkung vom 1. Juni 2015 aus dem Investment-Portfolio auszuschließen, fordert die Nahost-Kommission von pax christi von HeidelbergCement die Trennung von seinem Westbank-Geschäftsbereich. KLP sieht grund­legende ethische Normen verletzt und verweist zudem auf die zwingend notwendige Einhaltung des Humanitären Völkerrechts.  

Dr. Manfred Budzinski, der Sprecher der Nahost-Kommission von pax christi, verlangt erneut von Heidel­bergCement die Achtung und Umsetzung internationalen Rechts wie auch der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen von 2011 – auch um weiteren Schaden vom Unternehmen fernzuhalten. Bereits bei der Hauptversammlung von HeidelbergCement am 7. Mai 2015 forderten der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und die pax christi-Nahostkommission sowie pax christi Baden-Württemberg die unverzügliche Trennung vom Geschäftsbereich der Tochterfirma Hanson Israel, der in dem von Israel besetzten palästinensischen Westjordanland tätig ist. Weiter wurde eine Entschädigungs­zahlung an die Enteigneten bzw. Geschädigten gefordert sowie die Trennung von Hanson Israel, sofern von dort aus die illegalen Siedlungen oder der illegale Mauerbau unterstützt werden.  

Manfred Budzinski weist darauf hin, dass es laut Geschäftsbericht 2012 im Jahre 2007 zum Kauf des bri­tischen Unternehmens Hanson kam. Eine Tochterfirma des Baustoff-Herstellers Hanson ist Hanson Israel mit Sitz in Ramat Gan. „Dadurch unterhält HeidelbergCement auf dem besetzten palästinensischen Ge­biet zwei Betonwerke (in Modiin Illit und Atarot) sowie ein Asphaltwerk und den sehr großen Stein–bruch Nahal Raba (südlich von Elkana). Für den Steinbruch wurden von israelischer Seite über 50 Hektar Land von Bauern in der palästinensischen Gemeinde Az-Zawiya, auf deren Gemarkung er liegt, beschlag­nahmt. Anders hätte dieser Steinbruch gar nicht eingerichtet werden können“, schildert er die Situation vor Ort.  

Manfred Budzinski: „Wenn sich der Staat Israel nicht an internationales Recht hält, ist dies für ein DAX-Unternehmen und einen Global Player im Baustoffbereich wie HeidelbergCement noch lange kein Grund, diesen Völkerrechtsbruch durch seine Geschäftstätigkeit im Westjordanland zu unterstützen. Die Tren­nung von diesem Geschäftsbereich von Hanson Israel ist nach der Entscheidung von KLP mehr als unausweichlich!“  

Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre hatte für die Hauptversammlung im Mai 2015 einen Antrag auf Nichtentlastung von Vorstand und Aufsichtsrat gestellt, weil HeidelbergCement bislang nicht auf diese Forderungen eingegangen war.  

Bereits im August 2013 wurde der nach eigenen Angaben zu den weltweit führenden Baustoffunter­neh­men gehörenden Konzern CEMEX von der Nordeuropäischen Bank Nordea aus dem Nordea In­vest­ment Management´s investment universe wegen Verletzung internationaler Normen bezogen auf die Menschen­rechte ausgeschlossen, weil CEMEX „nicht erneuerbare Rohstoffe aus besetztem Gebiet ent­nimmt“. Manfred Budzinski: „Es wundert uns sehr, dass HeidelbergCement solch eine Maßnahme wie die von KLP gegen sich – auch mit Blick auf die Aktionärinnen und Aktionäre – riskiert hat. Der Image­schaden für HeidelbergCement ist nun enorm, mal abgesehen von der Missachtung von Humanitärem Völkerrecht wie auch der OECD-Leitsätze.“

Hintergrundinformationen

Das Völkerrecht hat klare Regeln für eine Besatzungsmacht (hier der Staat Israel) aufgestellt. Artikel 1 der Vierten Genfer Konvention verpflichtet alle Staaten, für die Durchsetzung der Einhaltung des gelten­den Völkerrechts Sorge zu tragen. Nach dieser Konvention sind der Lebensraum und die Institutionen der ansässigen Bevölkerung vor willkürlicher Enteignung, Zerstörung und Besiedlung durch die Besatzungs­macht geschützt. Dagegen hat die israelische Regierung bestätigt, dass das Gros des im besetzten West­jordanland abgebauten Materials in das israelische Staatsgebiet geht, der Rest an die Besatzungs­armee und die völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen, um diese auszubauen, was wiederum ge­gen die Interessen der einheimischen palästinensischen Bevölkerung und gegen das Völkerrecht verstößt.  

Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist es einer Besatzungsmacht eindeutig verboten, sich Roh­stoffe aus besetzten Gebieten anzueignen: Art. 55: „Der besetzende Staat hat sich nur als Verwalter und Nutznießer der öffentlichen Gebäude, Liegenschaften, Wälder und landwirtschaftlichen Betriebe zu betrachten, die dem feindlichen Staate gehören und sich in dem besetzten Gebiete befinden. Er soll den Bestand dieser Güter erhalten und sie nach den Regeln des Nießbrauchs verwalten.“  

Die EU-Missionschefs in der Region stellten z.B. in ihrem Bericht an den Ministerrat der EU „Area C and Palestinian State Building“ vom Juli 2011 u.a. fest: „Als Besatzungsmacht ist Israel nach dem Humani­tären Völkerrecht (IHL) immer für die Sicherung der Erfüllung der Grundbedürfnisse der besetzten Bevöl­ke­rung verantwortlich. Israel ist verpflichtet, seine Besatzung so zu handhaben, dass es zum Wohl der lo­kalen palästinensischen Bevölkerung geschieht, und nicht, um seine eigene Bevölkerung in das Gebiet unter Besatzung umzusiedeln. Das Humanitäre Völkerrecht geht davon aus, dass jede militärische Besat­zung zeitlich begrenzt ist, basierend auf dem Verbot, durch Drohung oder mit Anwendung von Gewalt (Ar­tikel 2, Abs. 4 der UN-Charta) Land in Besitz zu nehmen. Dadurch würde das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung untergraben (Art. 1 ICCPR, Art. 1 CESCR). Die Besatzungsmacht … ist nur Verwalter des Landes mit zivilen Verpflichtungen gegenüber der Zivilbevölkerung…“

(Übersetzung: pax christi-Nahostkommission). 

Vor mehr als 10 Jahren (2004) bekräftigte das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zum Mauerbau die Rechtswidrigkeit bestimmter israelischer Besatzungsmaßnahmen, darunter den Bau von Siedlungen, und bestätigte die Rechtspflicht aller Staaten, diesen Maßnahmen „keine Beihilfe oder Unterstützung“ zu gewähren. Der Europäische Gerichtshof hat 2010 geurteilt, dass Siedlungen nicht zum Staatsgebiet Israels zählen. Die israelischen Siedlungen in der Westbank und in Ostjerusalem sind ein Haupthindernis auf dem Weg zu einem gerechten Frieden in Nahost. Auf der Homepage des Auswär­tigen Amtes heißt es: „In Bezug auf Eigentumserwerb oder Investitionen in den Siedlungen wird darauf hingewiesen, dass die Siedlungen nach Auffassung der Bundesregierung gegen das Völkerrecht verstoßen.“   

In den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen in der Neufassung von 2011 heißt es in den Erläuterungen zu dem Kapitel Menschenrechte: „Außerdem sollten die Unternehmen in Situationen bewaffneter Konflikte die Standards des humanitären Völkerrechts einhalten, was den Unternehmen dabei helfen kann, dem Risiko vorzubeugen, negative Auswirkungen zu verursachen oder einen Beitrag dazu zu leisten, wenn sie in solch einem schwierigen Umfeld tätig sind.“ Diese Leitsätze der OECD gelten auch für HeidelbergCement, werden jedoch nicht befolgt.