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Scheitern der Nahost-Verhandlungen

04. Jun 2014

EU muss jetzt Siedlungsprodukte kennzeichnen.

Nach dem Scheitern der US-Vermittlungen im Konflikt zwischen Israel und Palästina sind jetzt die Glaubwürdigkeit von EU und Deutschland gefordert. „Die EU hat eine Leitlinie zur Kennzeichnung von Produkten aus den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten bisher auf Wunsch der US-Regierung  zurückgehalten, um bei den Verhandlungen nicht zu ´stören´ – jetzt ist sie aber am Zuge! Es reicht einfach nicht mehr aus, regelmäßig über den kontinuierlichen illegalen völkerrechtswidrigen Siedlungsbau der israelischen Regierung  – zu Recht – verärgert oder entsetzt zu sein. Laut US-Diplomaten scheiterten die Verhandlungen hauptsächlich wegen der Siedlungen.  Es sind nun eindeutige und vielleicht auch schmerzhafte Taten notwendig, um die israelische Regierung beim Siedlungsbau zu stoppen. Dazu gehört, dass das neu gewählte Europäische Parlament und die neu zu bildende EU-Kommission sich bezogen auf diesen Konflikt selbst an das Völkerrecht halten“,  so schildert Kommissionssprecher Dr. Manfred Budzinski  die Erwartungen der pax christi-Nahostkommission.

„In Deutschland hat ein Großteil  der Handelsketten, Discounter, Supermärkte usw. im konventionellen wie auch im Bio-Bereich, mit denen wir seit über zwei Jahren im Kontakt sind, uns gegenüber erklärt und zum Teil auch mit Bescheinigungen der Importeure belegt, dass sie bei Obst und Gemüse keine Siedlungsprodukte mehr in ihrem Angebot haben. Dies sind ermutigende Signale, die jetzt von der Politik unterstützt werden sollten“,  betont Manfred Budzinski.

Produkte aus israelischen Siedlungen sind in hiesigen Geschäften für Verbraucher/innen bislang nicht als solche erkennbar, weil sie genau wie Waren aus dem Staatsgebiet Israels mit der Ursprungsangabe „Israel“ vermarktet werden – eine klare Irreführung. 

Die pax christi-Nahostkommission hat deshalb vor zwei Jahren ihre Obsttüten-Aktion „Besatzung schmeckt bitter. Kaufverzicht für einen gerechten Frieden in Israel und Palästina“ gestartet, in der die eindeutige Kennzeichnung von aus israelischen Siedlungen stammenden Waren gefordert wird. Zahlreiche Aktionen vor Ort und viele Berichte in den Medien haben dieses Thema bekannt gemacht. In Großbritannien werden Waren aus den israelischen Siedlungen seit 2009 eindeutig deklariert, in Dänemark und Südafrika seit 2012. Die größte Schweizer Supermarktkette Migros praktiziert dies seit Frühjahr 2013. In Großbritannien hat sich die Praxis entwickelt, dass kaum noch (als solche deklarierte) Siedlungsprodukte in den Geschäften und Supermärkten angeboten werden. 

Hintergrundinformationen
Israels systematische Siedlungs-, Abriegelungs- und Separationspolitik im Westjordanland nimmt der palästinensischen Bevölkerung wertvolle Ressourcen, inkl. Wasser. Die täglich stattfindende Verdrängung von Palästinenser/innen aus Ostjerusalem, die Hauszerstörungen in Ostjerusalem und im Westjordanland und die Blockade des Gazastreifens entziehen einem möglichen palästinensischen Staat die Lebensgrundlagen und lähmen viele Aspekte des Alltags- und Wirtschaftslebens. Israelische Firmen, die in den völkerrechtswidrigen Siedlungen auf besetztem palästinensischem Gebiet investieren und produzieren, aber auch internationale und deutsche Firmen sind Nutznießer dieser Besatzungspolitik.  
In der Westbank und in Ostjerusalem wohnen bereits über eine halbe Million jüdische Israelis in „Siedlungen“, die z.T. große Städte mit einigen Zehntausend Einwohner/innen sind, obwohl das Völkerrecht klar untersagt, die eigene Bevölkerung in besetztem Land anzusiedeln. Hinzu kommt, dass Palästinenser/innen in der Zone C (61 % des besetzten Westjordanlandes) seit Jahren fast keine Baugenehmigung erhalten. Für die palästinensische Bevölkerung stellte die internationale Gemeinschaft zuletzt jährlich etwa eine Milliarde Dollar an Unterstützung bereit. Ohne die israelische  Besatzung und die damit verbundenen Behinderung ihrer Aktivitäten würde die palästinensische Wirtschaft laut Schätzung der Weltbank ca. 3,4 Milliarden Dollar im Jahr verdienen. 

Der Europäische Gerichtshof hat 2010 geurteilt, dass Siedlungen nicht zum Staatsgebiet Israels zählen. Die israelischen Siedlungen in der Westbank und in Ostjerusalem sind ein Haupthindernis auf dem Weg zu einem gerechten Frieden in Nahost. Die israelische Justizministerin Livni sprach sich laut dem christlich-evangelikalen Nachrichtenportal Israelnetz vom 27.1.2014 in einer Kabinettssitzung dagegen aus, „Kritik an der israelischen Siedlungspolitik … mit Antisemitismus gleichzusetzen… Wer dies tue, „´schadet dem Kampf gegen Antisemitismus und distanziert uns von wichtigen Verbündeten, denen Antisemitismus vorgehalten wird, weil sie die Siedlungen kritisch sehen´“. 

Die EU-Kommission erhielt vor über anderthalb Jahren vom Ministerrat den Auftrag, neue Leit- oder Richtlinien für eine genaue Kennzeichnung von israelischen sowie von Siedlungsprodukten zu erarbeiten. Was die EU bislang beschlossen hat, ist, dass keine EU-Fördergelder mehr in Siedlungen fließen sollen (EU-Leitlinien vom 19. Juli 2013 über die Förderfähigkeit israelischer Einrichtungen und ihrer Tätigkeiten in den von Israel seit Juni 1967 besetzten Gebieten im Hinblick auf von der EU finanzierte Zuschüsse, Preisgelder und Finanzinstrumente ab 2014, die am 1. Januar 2014 in Kraft traten). Die Vereinbarung über wissenschaftliche Kooperation „Horizon 2020“ zwischen der EU und Israel von Ende 2013 verbietet, dass EU-Fördermittel für akademische Forschung  zur Verfügung gestellt werden, die in den Siedlungen durchgeführt wird. 

Bis zur Erfüllung der Kennzeichnungspflicht ruft die pax christi-Nahostkommission von pax christi zum Kaufverzicht auf, wenn es sich bei Waren mit der unklaren Herkunftsangabe „Israel“ um Siedlungsprodukte handeln könnte. Die Entscheidung für den Verzicht auf Waren aus völkerrechtswidrigen Siedlungen bedeutet, dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) von 2004 auf der Ebene der individuellen Konsumentscheidung Nachdruck zu verleihen.