Flüchtlinge unterstützen
Viele pax christi-Mitglieder machen sich zurzeit in ihrer Gemeinde für eine gute Aufnahme von Flüchtlingen stark. Lesen Sie hier über die aktuelle Situation in Regensburg.
Ich wohne im Landkreis Regensburg in einer Landgemeinde, in
der in mehreren Ortsteilen Flüchtlinge untergebracht wurden. Auf Grund der
steigenden Flüchtlingszahlen werden auch in kleinen Gemeinden
Unterbringungsmöglichkeiten für diese Menschen gesucht. Dabei werden nicht nur
Privathäuser, sondern vor allem ehemalige Landgasthäuser und Hotels zur
Verfügung gestellt, was in vielen Fällen die Bevölkerung in Sorge versetzt.
Angst vor Fremden, Angst davor, nicht mehr sicher zu sein in der dörflichen
Idylle, Angst, dass fremde Menschen in die dörflichen Strukturen eindringen und
die gewohnten Abläufe stören. Das waren Anzeichen, die mich und einen Kreis von
Freundinnen, überwiegend pax christi – Mitglieder, bewogen haben uns
einzumischen. Wir besprachen mit dem Bürgermeister und der Herbergsfrau wie wir
helfen können, um den Flüchtlingen zur Seite zu stehen..Wir Frauen begannen mit
Deutschunterricht und Hausaufgabenbetreuung bei den Kindern. Ich hatte mir etwa
1 Stunde in der Woche dafür reserviert. Doch was ist eine Stunde, wenn man mit
der Not und den Sorgen der Menschen konfrontiert wird? Da blieb es nicht beim
Deutschlernen, da begleiteten wir die Flüchtlinge zu den Ärzten, gingen mit in
die Ausländerbehörde, erkundigten uns bei
den Rechtsanwälten, schrieben Abgeordnete
an, verfassten Petitionen, sammelten Argumente für ein Selbsteintrittsrecht
Deutschlands und organisierten schließlich sogar ein Kirchenasyl.
Wie erlebe ich diese Arbeit? Ich habe im letzten Jahr sehr, sehr viel gelernt, habe viele spannende Kontakte geknüpft , die europäische Gesetzgebung mit all ihren, Flüchtlinge abwehrenden und abweisenden Richtlinien kennen gelernt und vergewisserte mich stärker als je zuvor immer wieder der Botschaft Jesu, der Hinwendung zum Fremden. Ich fühle mich dabei sehr lebendig und freue mich über die Nähe zu den Menschen, die uns nicht mehr fremd sind.
Die Flüchtlinge, die bei uns untergebracht sind, kommen aus
Syrien, Tschetschenien, Dagestan, von der Krim, aus Serbien und Bosnien. In der
Unterkunft sind etwa 30 Flüchtlinge untergebracht, was uns ermöglicht mit fast
allen Kontakt aufzunehmen. Die sprachlichen Hindernisse haben wir nach
anfänglichen Schwierigkeiten ganz gut im Griff. Für Arztbesuche und die Klärung
von komplexeren Zusammenhängen haben wir uns Dolmetscher besorgt, deren
Bezahlung entweder der Bürgermeister oder unser Flüchtlingshilfefond von pax
christi übernimmt.
Im Laufe unserer Kontakte erleben wir erschreckend, dass fast alle Flüchtlinge Krankheiten entwickeln, die ganz oft psychosomatische Ursachen haben. Die Fluchtursachen und die Erlebnisse während der Flucht lassen die Menschen keinen Schlaf finden. Häufig klagen Erwachsene und Kinder über Kopfschmerzen, die Kinder fangen wieder an einzunässen, sie haben in der Schule Konzentrationsprobleme und haben Angst, dass ihre Eltern von ihnen getrennt werden. Dazu kommt, dass die Erwachsenen Tage, Wochen, Monate in ihren Zimmern verbringen, ohne eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Sie sehnen sich nach Arbeit und Tagesstrukturen. Da sind dann ein Deutschkurs, der leider nur von karitativen Einrichtungen angeboten wird oder ein Gespräch mit Menschen, die in die Unterkunft kommen, eine Erlösung.
Gerade an der Gesetzgebung, an den Dublin-Vereinbarungen erlebe ich ganz stark, dass unsere Arbeit an Grenzen stößt, Die Abmachungen der europäischen Länder im Umgang mit Flüchtlingen, die gesetzliche Realität, das Vorgehen der Behörden, die sich auf diese Gesetze berufen, sehe ich oft im Widerspruch zu den humanitären Werten in unserem Land. Anfänglich war ich mir sehr sicher, dass wir viele Flüchtlinge schützen können, wenn wir uns auf die Genfer Flüchtlingskonvention, auf die allgemeinen Menschenrechte, auf die Kinderkonvention und das Wohl der uns anvertrauten Kinder beziehen und auf die Einhaltung dieser humanitären Errungenschaften drängen. Die Ernüchterung stellte sich leider bald ein. Der Hinweis auf die Dublin - Vereinbarungen beendet schnell jede Diskussion, jeden Hinweis auf Menschlichkeit und Menschenwürde.
Wie können wir denn verantworten, dass eine junge Frau von 23 Jahren, deren ganze Familie in Somalia von den El Shabab Milizen erschossen wurde, die in Lebensgefahr durch die Sahara floh, bei der Überquerung des Mittelmeeres glücklicherweise nicht ertrunken ist, in einem Gefängnis in Malta landete und nach einem Jahr die Flucht nach Deutschland gelang, dass wir diese Frau auf Grund der Dublinverträge wieder nach Malta zurückschicken, wo sie noch schärfere Restriktionen erwarten, weil sie wieder als illegal Eingereiste behandelt wird ? Ist es hier nicht unsere Pflicht, diese Frau zu schützen und ihr, wie geschehen, Kirchenasyl zu gewähren? Und in den letzten Tage erfahre ich, dass das Bundesamt für Migration das Kirchenasyl aushebeln will und den Schutz der Kirche als Untertauchen bewerten will. Da wünsche ich mir, dass die Kirchen sofort reagieren und auf der langen christliche Tradition bestehen, Menschen Gastfreundschaft und Zuflucht zu gewähren, die als Fremde in Not und Bedrängnis zu uns kommen.. Auch müssten die deutschen Behörden das Selbsteintrittsrecht Deutschlands angesichts verheerender Zustände in so manchen europäischen Ländern viel öfter gebrauchen und die Menschen nicht quer durch Europa verschieben wie Stückgut, das nicht auf Sprache und Begegnung angewiesen ist.
Vielen Flüchtlingen wäre schnell geholfen, wenn Deutschland die offensichtlich notwendige Einwanderung erleichtern würde. Nikolai war auf der Krim Bauingenieur und sitzt nun den ganzen Tag mit seiner Frau in einem Zimmer mit Doppelbett, Schrank und Nasszelle. Die Tage in der Gemeinschaftsunterkunft scheinen kein Ende zu nehmen Wie gerne würden er und seine Frau wie auf der Krim auch in Deutschland arbeiten.
Wie sehr wünsche ich mir da immer wieder, die Politiker würden nicht nur gute Reden halten, am 27. Januar an die Menschenwürde erinnern, die für alle Menschen gleich gilt, sondern diese auch gegenüber Flüchtlingen mit der europäischen Gesetzgebung verwirklichen.Autorin: Elisabeth Reinwald ist Sprecherin des pax christi-Diözesanverband Regensburg.
Der Artikel ist erschienen in der pax_zeit 1_2015