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Impuls zum 19. Juli 2020

Zum 16. Sonntag im Jahreskreis

Von Gerold König (Langerwehe), Mitglied Geschäftsführender Bundesvorstand 

„Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ (Hannah Ahrendt)

Mit diesem Zitat von Hannah Ahrendt leite ich meinen zweiten Impuls in Coronazeiten ein.

Nein, dies wird kein Aufruf zum Widerstand gegen Regelungen.

Nein, dies wird kein Freibrief für Verschwörungstheoretiker und Leute, die die Chance nutzen wollen, rechte Ideologien zu streuen in sozialen Netzwerken und auf Demonstrationen

und

Ja, ich bin auch wütend und enttäuscht über die einschränkenden Regelungen – aber auch über unüberlegte Lockerungen.

Ja, ich bin auch sauer, über Skandale, die jetzt bekannt werden, aber schon viel länger wirken, aus der Fleischindustrie, über falschen Lobbyismus und immer wieder über Intransparenz, die uns täglich zugemutet wird. 

Warum also dieses Zitat am Anfang dieses Impulses? 

Ich habe es ausgewählt, weil es für mich so wichtig ist. Gehorsam ohne zu hören ist fatal. Bedingungsloser Gehorsam führt immer in das Abseits. Wenn ich nur gehorche und nicht weiß, was ich tue und warum ich etwas tue, mir die Folgen meines Gehorsams nicht bewusst mache, mache ich mich schuldig. Schuldig an dem, gegen den sich mein Gehorsam richtet. 

Gehorsam hat etwas mit Hören zu tun. Hören, bedeutet Zuhören. Zuhören mit allen Sinnen. Das Gehörte für sich bewerten und resümieren. 

Und so macht das Zitat von Hannah Ahrendt wieder Sinn: Ich darf nur dann gehorchen, wenn ich zugehört habe, wenn ich mir der Bedeutung des Gehörten bewusst bin, wenn ich einschätzen kann, welche Bedeutung mein Gehorsam hat. 

Daraus entwickelt sich natürlich die Frage, was ich denn tuen soll, wenn ich zu dem Ergebnis komme, dass das Gehörte für mich nicht umsetzbar ist, dass es meinen Vorstellungen von Moral widerspricht? Dann ist ungehorsam angesagt! Dann muss ich mich widersetzen. Gerade wir in der Friedensbewegung haben den Umgang mit gewaltfreiem Widerstand gelernt, wir kennen die Formen, Mittel und Wege, sei es durch gewaltfreie Kommunikation oder auch manchmal durch zivilen gewaltfreien Ungehorsam. Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen! Lassen wir uns das immer und immer wieder auf der Zunge zergehen. 

Jesus hat uns vielfältige Formen des gewaltfreien Widerstandes gezeigt. So auch im heutigen Sonntagsevangelium nach Mt 13, 24-43  (Evangelium in einfacher Sprache). 

Jesus sagte:

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Bauern. Der Bauer streut gute Weizenkörner auf sein Feld. Daraus sollte guter Weizen wachsen. Danach ging der Bauer nach Hause. 

Der Bauer hatte aber einen Feind. Der Feind wollte den Bauern ärgern. Der Feind also wies seine Diener an, heimlich Unkrautsamen auf das Feld des Bauern zu streuen, damit seine Ernte vernichtet werde. Die Diener gehorchten ihm widerspruchslos und streuten heimlich Unkrautsamen auf das Feld des Bauern. Der Bauer merkte das nicht. 

Bald fing der Weizen an zu wachsen, das Unkraut wuchs ebenso schnell. Bald schoss das Unkraut über den Weizen hinaus. Der Feind rieb sich die Hände, seine Saat war aufgegangen. 

Die Knechte des Bauern aber fragten den Bauern, woher denn das Unkraut käme. Sie hätten doch nur gute Weizenkörner gesät. Der ganze Ertrag unserer Arbeit ist kaputt. 

Sie sagten zu dem Bauern, dass sie hinausgehen wollten und das Unkraut rausreißen würden, um noch zu retten, was zu retten ist. 

Der Bauer hielt sie auf und sagte: Bestimmt hat der Feind das Unkraut heimlich ausgesät. Wenn ihr jetzt rausgeht und das Unkraut rausreißt, vernichtet ihr auch den Weizen – das will er erreichen. 

Der Weizen soll mit dem Unkraut zu Ende wachsen. Bei der Ernte machen wir das so: Zuerst geht ihr durch das Feld und reist das Unkraut aus, denn nun erkennt ihr gut, was reine Frucht und was Unkraut ist. Dann bündeln wir das Unkraut und verbrennen wir es. Danach erst gehen wir hin und werden den Weizen ernten. Mit dem Weizen füllen wir unsere Scheune. 

Jesus erklärt seinen Freunden den Sinn dieses Gleichnisses und spricht davon, dass der Weizen für die guten Menschen und das Unkraut für das Böse steht. Bei der Ernte wird zwischen Gut und Böse getrennt. Das Böse wird verbrannt. Die, die das Böse ausgesät haben, ärgern sich darüber, dass der Bauer klug gehandelt hat.  

Auslegung

Ist dieses Evangelium eigentlich eine frohe Botschaft oder doch eher eine Drohbotschaft? 

Eigentlich geht es um die Entscheidung des Menschen zu tun oder nicht zu tun. Unkraut säen oder sich widersetzen. Unkraut wachsen lassen, oder rauszureißen und alles zu vernichten. Was also ist zu tun.

Vor diesen Entscheidungen stehen wir auch tagtäglich. Wir haben es satt, Abstand zu halten und auf Distanz zu gehen. Wir haben es leid, der Maskenpflicht nachzukommen. Wir wollen endlich wieder Begegnung, Berührung, Treffen. Es soll alles wieder normal sein. 

Wir können uns all den Regelungen und Einschränkungen widersetzen. Wir brauchen nicht zu gehorchen. Niemand zwingt uns dazu. 

Gestern in der U-Bahn habe ich es erlebt – da stiegen Menschen ohne Mundschutz ein und hielten sich auch nicht an die Abstandsregelungen. Warum auch – schoss es mir durch den Kopf. Sie sind einfach nicht gehorsam und tun was sie wollen. 

Dann wurde ich unsicher: musst du was sagen? Was ist, wenn…..? Sie setzen doch auch deine Gesundheit aufs Spiel.  Ich habe nicht eingegriffen, nichts gesagt. Hatte keine Lust auf Konflikte. Aber beschäftigt hat mich deren Verhalten doch: diese Ignoranz ist mir nachgegangen. Und die Frage, was haben sie durch ihre Ignoranz und ich durch mein Schweigen aufs Spiel gesetzt? 

So passiert es immer wieder – im Kleinen, wie auch im Großen. 

Wir wissen darum, dass immer weiter Rüstungsgüter gefertigt und exportiert werden.

Wir wissen darum, dass die Situation der Geflüchteten in den Lagern auf Lesbos und anderswo immer unerträglicher wird.

Wir wissen um die Atomwaffen, die in Büchel, lagern und modernisiert werden.

Wir wissen um die Folgen der Coronakrise gerade in den Ländern Lateinamerikas und Afrikas, dass Hunger droht und die Lebensgrundlagen entzogen werden.

Wir wissen um Missbrauch.

Wir wissen soviel, wir hören Nachrichten von Katastrophen, wir hören gar nicht mehr hin.

Wir wissen, wir hören  – und wir schweigen. 

Vielleicht sollten wir zum Herrn rufen:

Herr erbarme Dich

Wenn wir wieder alles hinnehmen und so tun,

Als hätten wir nichts damit zu tun

Christus erbarme Dich

Wenn wir hören und schweigen,

Wenn wir gehorsam sind, wo wir aufstehen sollten

Herr erbarme Dich

Wenn Unrecht uns begegnet und wir wieder einmal zu schwach sind, zu reagieren

Wenn wir wegsehen, wo wir hinschauen sollten  

Gebet und gleichzeitig Fürbitten

Öffne meine Ohren Herr,

Für das was wichtig ist.

Öffne meine Ohren Herr,

Für das Schweigen, das Ungesagte

Öffne meine Ohren Herr,

Für das Lied der Wellen und des Windes

Öffne meine Ohren Herr

Und lass mich unterscheiden zwischen dem Gesagten

Und dem Gehörten

Öffne meine Ohren Herr

Hinzuhören und offen zu werden

Für die Nöte der Menschen

Öffne meine Ohren Herr

Für das Klagelied der Schöpfung

Öffne meine Ohren Herr

Und sei bei mir, wenn ich höre

Öffne meine Ohren Herr

Damit ich höre, wenn ich gerufen werde

Öffne meine Ohren Herr 

…hier können eigene Bitten eingebaut werden 

Öffne meine Ohren Herr

Denn Du bist der hörende Gott 

Wer sind wir, dass wir, von Dir als unserem Vater sprechen können?

Und dennoch tun wir es, weil wir Dir vertrauen, weil wir Dir den Vater und die Mutter zutrauen.

Was gibt es Größeres, als das Vertrauen, das Getragen werden und die Gewissheit, immer wieder durch Deine Hände gehalten zu werden. Darum und nur darum dürfen wir mit allen Menschen dieser Welt Dich unseren Vater und unsere Mutter nennen und zu Dir sprechen:  

Vater unser im Himmel,

Geheiligt werde Dein Name,

Dein Reich komme.

Dein Wille geschehe,

Wie im Himmel so auf Erden.

Unser tägliches Brot gib und heute

Und vergib uns unsere Schuld,

Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern

Denn Dein ist das Reich und die Kraft

Und die Herrlichkeit

In Ewigkeit

Amen  

Segen

Am Ende des Nachdenkens an diesem Sonntag, egal wo und mit wem Du diesen Impuls gelesen hast,

Egal, ob Du ihn mit Liedern ausgeschmückt hast, die Dir in den Sinn gekommen sind, egal, ob Du manchmal den Kopf geschüttelt hast oder zustimmend genickt, egal….am Ende steht der 

Segen

Nimm dir Zeit zum Träumen,

Das ist der Weg zu den Sternen.

Nimm dir Zeit zum Nachdenken,

Das ist die Quelle der Klarheit.

Nimm dir Zeit zum Leben,

Das ist der Reichtum des Lebens.

Nimm dir Zeit zum Freundlich sein,

Gott sei neben dir, wenn du unsicher bist,

Das ist das Tor zum Glück

So segne uns alle der hörende Gott

Der Vater

Der Sohn

Und der heilige Geist 

Amen

 

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