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Impuls zum 25. Dezember 2020

Zum Ersten Weihnachtstag

Von pax christi-Präsident Bischof Peter Kohlgraf, Mainz 

Dürfen wir in diesem Jahr Weihnachten feiern?
Dürfen wir in diesem Jahr Weihnachten feiern? Diese Frage kam in diesen Tagen immer mal wieder auf, angesichts der Pandemie. Vor einigen Jahren, nämlich 2016, wurde die Frage schon einmal diskutiert. Damals wurde sie dem maronitischen Erzbischof in Aleppo gestellt, der den Untergang seiner Gemeinde und seiner Stadt hautnah miterleben musste. Er gibt die Antwort: Wir müssen feiern, und wir werden auf den Trümmern feiern, um zu erleben, dass die Hoffnung nicht stirbt, dass aus dem Tod Leben hervorkommt. 

Angesichts vieler erkrankter und verstorbener Menschen stellt sich diese Frage auch heute: Können wir einfach so Weihnachten feiern? Wenn für jemanden Weihnachten nur der Schnee, der Tannenbaum und das gemütliche Miteinander ist, kann ich mir vorstellen, dass es schwerfällt, darin einen Sinn zu sehen. Für mich sind die Ereignisse dieser Welt aber geradezu eine Einladung, Weihnachten bewusst und mit Inhalt zu feiern. 
Weihnachten heißt, sich der Nacht stellen. Die Lichter des Weihnachtsfestes stehen ja für den, der von sich gesagt hat: Ich bin das Licht – und ihr sollt Licht sein für die Welt. Es geht nicht in erster Linie um Kerzengemütlichkeit, sondern um den Sieg über das Dunkel der Nacht. So verstanden, lernen wir im Licht von Weihnachten, die Menschen bewusst zu sehen, die im Dunkeln sind. 

Menschen sind weiter auf der Flucht vor Krieg und Terror. Ich erinnere an die grauenhaften Bilder aus den Lagern vor unserer Tür. Ich erinnere an die Kranken und Einsamen. Ich denke an die Armen in unserer Umgebung, die im Dunkeln bleiben, weil sie sich schämen. Wenn von der Krippe Licht ausgeht, kommen diese Menschen in den Blick. Wir können nicht mehr wegsehen. Das Licht steht aber auch für Hoffnung, für Hilfe, für Orientierung. Sich der Nacht stellen bedeutet: Wenn wir erleben, wieviel Hass und Verachtung heute in vielen Menschen wieder lebendig wird, vielleicht auch in mir, werde ich mich der eigenen Nacht stellen müssen. Wenn ich auf Christus schaue, feiere ich ihn als denjenigen, der jede Gewalt mit Liebe beantwortet hat. Dann feiere ich den, der nicht zurückgeschlagen hat, der für seine Mörder betet. Dann sehe ich den, der angesichts des Leids keine Angst hat, sich die Finger schmutzig zu machen, sondern dorthin geht, wo Menschen leiden und warten. Sich der Nacht stellen heißt, aktiv Licht zu entzünden. Wenn Christus das Licht ist, das die Nacht erhellt, hat er die Hoffnung für mich, für die Welt, für die Menschen noch nicht aufgegeben. Deswegen müssen wir Weihnachten feiern. 


Weihnachten heißt, für den Frieden zu arbeiten
Weihnachten heißt, für den Frieden zu arbeiten. Wir leben in einer Welt, in der die Logik der Macht, der Vergeltung herrscht. Wir haben auch in diesem Jahr erleben müssen, wie Gewalt das Leben von Menschen lähmt und zerstört. Nicht selten kam von den Mächtigen dieser Welt die trotzige Reaktion: Wir werden es den Tätern vergelten. Daraus entsteht eine Spirale von neuer Gewalt, von neuem Schrecken. Im Weihnachtsevangelium wird nicht umsonst das kleine Kind den Mächtigen dieser Welt entgegengestellt: Augustus, der Kaiser, der mit Gewalt und Druck den Frieden herstellt. Und dagegen dieses Kind, wehrlos, heimatlos. Von Anfang an stellt das Evangelium eine verrückte göttliche Logik in diese Welt. Wenn etwas bleibt und zum Guten verändert, dann die offene Hand, die Wehrlosigkeit der Liebe dieses Kindes, das zur Nachfolge ruft. Nach nur kurzer Zeit wird König Herodes diesem Kind nach dem Leben trachten, weil er um die eigene Macht fürchtet. Wenn wir jetzt nach 2000 Jahren zurückschauen, wissen wir, wer in der Welt wirklich etwas verändert hat. An die Macht der Liebe, der Vergebung, der Wehrlosigkeit zu glauben, ist nicht immer einfach. Aber genau darum geht es. Deswegen müssen wir Weihnachten feiern. 

Weihnachten heißt zu sehen, dass Gott in dieser Welt Heimat sucht. Sie hatten keinen Raum in der Herberge. Er kam in sein Eigentum, die Seinen nahmen ihn nicht auf. Das geschieht heute. Gott läuft unerkannt durch unsere Städte und Dörfer, und sucht Menschen, die ihm Heimat geben. Gott sucht Heimat. Es gibt ja schöne Weihnachtsgeschichten, die das verdeutlichen, wie Gott an die Tür klopft. In der Gestalt eines Kindes, eines Bettlers, eines Suchenden. Und vor lauter Frömmigkeit werden diese Menschen abgewiesen. Gott hört nicht auf, zu klopfen und zu suchen. Weihnachten ist die Chance, mit Gott nicht abzuschließen. Er jedenfalls bleibt auf der Suche nach uns. Deswegen müssen wir Weihnachten feiern.