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Gemeinsame Gebetsstunde katholischer Verbände am Freitag, 11.Januar 2008

09. Jan 2008

Das Motto von Papst Benedikt XVI. zum Weltfriedenstag am 1.1.2008 lautete in diesem Jahr: "Die Menschheitsfamilie, Gemeinschaft des Friedens". pax christi hat wieder eine Gebets- und Informationshilfe zusammen mit anderen katholischen Verbänden erstellt und als Motto dafür gewählt: "Friede ist der Weg zur Menschheitsfamilie". Darin finden sich die …

GEDANKEN zum Leitwort 2008 „Friede ist der Weg zur Menschheitsfamilie.“

Der Traum der Menschheitsfamilie in der Einen Welt scheint zum Greifen nahe: die Globalisierung propagiert ihn ökonomisch, Medien und Internet lassen ihn Wirklichkeit werden, weltweite Reisen überwinden scheinbar mühelos alle Grenzen und Kulturen.

Und doch wächst ein weltweites Unbehagen: es scheint mehr Verlierer als Gewinner der Globalisierung zu geben, die Unterschiede in den Kulturen, Traditionen, Religionen, Lebensweisen, Menschenrechts- und ökonomischen Verhältnissen sind so offenkundig, dass sie in ihrer direkten Vergleichbarkeit zur gegenseitigen moralischen Anklage und politischen Herausforderung werden. Migrationstendenzen sind weltweit im Gange; die Vertriebenen durch globale Erwärmung u.a. Umweltkatastrophen treten neben die kriegsbedingten Flüchtlingsströme. Verteilungskonflikte um Rohstoffe, Wasser, neue Machtsphären zeichnen sich ab. Man spricht von Handelskriegen; Geiselnahmen und Terrorattacken bedienen sich in perfider Form des Internets, um Mord und Folter anzudrohen und zu verherrlichen. Und manche Regierungen stehen dem in nichts nach, wenn sie ihre Medienkriege und Meinungs-Manipulationen planen und durchführen.

Die Welt ist ein Marktplatz geworden: ein Marktplatz der Ökonomie, der Eitelkeiten, der Täter- und Opfergeschichten, der „guten“ und „bösen“ Geschichten… Aber gerade darum liegen heute Segen und Fluch der Einen Welt so nah beieinander. Es ist richtig: je näher wir uns kommen, desto klarer haben wir auch Konflikte zu bestehen. Aber genau darum geht es: sie zivilisatorisch zu bewältigen und auszutragen. Manchmal erscheint es mir als hätten wir seit der Kolonialisierung und Eroberung der „Neuen Welt“ nicht viel gelernt. Das „Andere“ wird immer noch leicht verdächtigt und das Eigene unkritisch überhöht. Wir wissen viel und verstehen wenig. Die ideologischen und Verständnis-Gräben wachsen, weil es zu wenige offene Palaverplätze gibt. Der „Kampf der Kulturen“ wurde schon herbei geschrieben! Zwar ist ihr „Erfinder“ Huntington mittlerweile wissenschaftlich marginalisiert und widerlegt, aber seine These bleibt politisch doch höchst wirksam und gefährlich als eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, wenn denn die Form der Macht- und Militärpolitik des letzten Jahrzehnts anhalten sollte. Wir brauchen Dialog statt „Krieg gegen den Terror“ – unter dieses Motto stellt pax christi seine 60-Jahr Feier 2008.

Die Tatsache des weltweiten Zusammenwachsens ist ein unaufhaltsamer politischer, ökonomischer und kultureller Prozess. Es gilt ihn aber nicht länger der Macht der Stärkeren zu überlassen, sondern ihn demokratisch zu gestalten. An uns allen liegt es, Menschheitsfamilie zu werden – und das fängt bei der „Einen Welt im eigenen Land“ an – bei der Akzeptanz von Mitmenschen anderen Glaubens, anderer Hautfarbe, anderer „Welt-Anschauung“ – und damit beim Ja zu Moscheen und Synagogen, Tempeln und Meditationshäusern aller Art. Nur dann haben wir Christen das Recht, auch in anderen Ländern die freie Ausübung unserer Religion zu fordern – statt nun auch bei uns deren Verfolgung und Marginalisierung zu betreiben. Die „Menschwerdung des Menschen“ (Teilhard de Chardin) und das Werden der Menschheitsfamilie (Papst Benedikt XVI.) schreiten nicht von selbst voran; es bedarf unser aller Hilfe, Entschiedenheit und Kenntnis in der eigenen Tradition ebenso wie der Toleranz und interessierten Gesprächsbereitschaft gegenüber dem „Anderen“. Weder Schmelztiegel noch Parallelgesellschaften können uns dem näher bringen, sondern die Achtung und Pflege der Vielfalt in der „Einen Welt“. Aus unserem kleinen blauen Planeten die Heimstatt aller zu machen, die darauf geboren werden: dies ist für uns jesuanisch-christliches Urgut - neutestamentarisch verbürgt.

Reinhard J. Voß