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Stillstand, Rückschritt und fehlende Perspektiven

16. Apr 2025

Die pax christi-Kommission Friedenspolitik zur Sicherheitspolitik im Koalitionsvertrag

Der Koalitionsvertrag der künftigen CDU/CSU-SPD-Regierung ist aus Sicht der pax christi-Kommission Friedenspolitik in den Bereichen Frieden, Sicherheit und Außenpolitik ein Zeichen für Stillstand, Rückschritt und Perspektivlosigkeit.

Statt dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten, bekennt sich die Koalition zur atomaren Abschreckung und zur atomaren Teilhabe. So wird der völkerrechtlich gültige Verbotsvertrag nicht einmal mehr erwähnt, geschweige denn der bisherige Beobachterstatus bei der Überprüfungskonferenz beibehalten. Die künftige Koalition formuliert vage: „Unser langfristiges Ziel bleibt das Bekenntnis zu Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung sowie Abrüstung.“ Das Ziel ist also nicht Abrüstung selbst, sondern nur das Bekenntnis dazu – „langfristig“. Denn die Perspektive dieser Koalition ist vor allem Abschreckung und Aufrüstung. 

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wird beiläufig erwähnt. Ein Konzept für gemeinsame Sicherheit und das Ziel einer Sicherheitsordnung in Europa, die Russland einbezieht, fehlt völlig. Dieser aufgegebenen Perspektive war die deutsche Einheit und die Freiheit ehemaliger Staaten des Warschauer Pakts zu verdanken. Auch hat in der Abschreckungs- und Aufrüstungslogik der geplanten Koalition die Erkenntnis keinen Platz, dass ohne Kooperation Russlands der Kampf gegen die Klimakatastrophe nicht zu gewinnen ist.

Während in den Friedenspolitischen Leitlinien der Bundesregierung von 2017 noch der Vorrang der Krisenprävention und zivilen Konfliktbearbeitung definiert wurde, ist davon im neuen Koalitionsvertrag keine Rede mehr. Auch nicht mehr von der Finanzierungszusage der Entwicklungshilfe-Quote von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im Gegenteil: Es bleibt zu befürchten, dass die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe weiter gekürzt werden. Immerhin konnte ein eigenständiges Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erhalten bleiben.

Auch zum Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Koalition keine Perspektive außer Waffenlieferungen und der Durchhalterhetorik, dass die Ukraine aus einer „Position der Stärke“ agieren und eine NATO-Beitrittsperspektive haben soll. Laut dem jüngsten Report des internationalen Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI vom März 2025 sind die Importe der Ukraine von Großwaffen zwischen 2020 und 2024 um das Hundertfache gestiegen. Immerhin wird im Kontext der Ukraine positiv die Bedeutung von Völkerrecht, Menschenrechten und der UN-Charta betont.

Dieser Bezug fehlt beim Thema Israel und Palästina völlig. Statt Palästina anzuerkennen wie 75 Prozent der Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen und europäische Staaten wie Spanien, Irland, Norwegen und voraussichtlich Frankreich, und sich so zur Glaubwürdigkeit einer Zwei-Staaten-Perspektive zu bekennen, mauert sich die Koalition in der „deutschen Staatsräson“ der Solidarität mit Israel ein und macht ihre Zustimmung zu einer Zwei-Staatenlösung davon abhängig, dass sie verhandelt wird und damit von der Zustimmung Israels. Damit bleibt sie ein Lippenbekenntnis, statt eine Perspektive aus dem Konflikt zu sein. Und es wird eine „grundlegende Verbesserung der humanitären Lage im Gazastreifen“ postuliert, aber gleichzeitig die Unterstützung des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge infrage gestellt. Die militärische Unterstützung Israels wird nicht einmal an Bedingungen geknüpft, z.B. dass die Zerstörung des Gazastreifens und der Krieg gegen seine Bevölkerung aufhören. Damit befördert sie auch internationale Kritik an Doppelstandards.

Der Aufrüstungslogik der neuen Koalition entspricht auch, dass ethische und humanitäre Kriterien aufgeweicht werden. So sollen nun Rüstungsexporte auch nach wirtschaftlichen Kriterien entschieden werden, also Konzerngewinne als Motiv dienen für die Befähigung interessierter Länder, Krieg zu führen. Außerdem sollen Waffensysteme in Verbindung mit künstlicher Intelligenz und Kampfdrohnen beschafft werden, die nichts mehr mit Töten aus Notwehr zu tun haben. 

Auch will die künftige Regierung die Militarisierung von Bildung und Forschung vorantreiben, indem der „wichtige Bildungsauftrag“ von Jugendoffizieren an Schulen gestärkt und „Hemmnisse“ bei zivil-militärischen Forschungskooperationen abgebaut werden sollen.

Der genannte SIPRI-Report zum internationalen Waffenhandel besagt, dass die Aufrüstung Europas die maßgebliche Triebkraft des globalen Waffenhandels in den letzten fünf Jahren war. So hat sich der Anteil Europas an Rüstungsimporten von 11 Prozent auf 28 Prozent fast verdreifacht, während er in anderen Kontinenten (außer den USA) deutlich sank. Auch bei Rüstungsexporten liegt Europa mit 30 Prozent und der Westen insgesamt mit 73 Prozent vorn. Die horrenden Rüstungsausgaben, die nun vom Koalitionsvertrag bestätigt werden, sind ein Verrat an den Lebensmöglichkeiten der Ärmsten in der Welt und an der Überlebenschance unseres Planeten.