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Gedenkfeiern 1. Weltkrieg.jpg

Offizielle Gedenkfeiern Erster Weltkrieg

07. Aug 2014

Zu den Gedenkfeiern zum Beginn des Ersten Weltkriegs in Frankreich und Belgien hatte das Bundespräsidialamt auch pax christi eingeladen. Die Bundesvorsitzende Wiltrud Rösch-Metzler gehörte zur Delegation des Bundespräsidenten Joachim Gauck vom 3. bis 4. August 2014. Ihr Bericht:

Feinde können sich versöhnen                                                                             

Offizielle Gedenkveranstaltungen zum Ersten Weltkrieg in Frankreich und Belgien

 

Hundert Jahre nach dem Beginn des Ersten Weltkriegs ist Folgendes möglich geworden: Zum ersten Mal besuchte ein deutscher Bundespräsident den Hartmannswillerkopf im Elsass, ein Schlachtfeld und ein Friedhof sowie eines von vier französischen nationalen Denkmälern des Ersten Weltkriegs, zum ersten Mal gab es ein „gemeinsames Innehalten“, wie es der britische Premierminister David Cameron ausdrückte, mit dem ehemaligen Feind Deutschland auf dem Soldatenfriedhof St. Symphorien und zum ersten Mal wurde die deutsche Fahne im Fort Loncin bei Lüttich gehisst, wo belgische Soldaten acht Tage lang Widerstand  gegen die deutschen geleistet hatten und wo schließlich durch eine deutsche Granate das Fort zerstört und 350 Belgier getötet wurden. Diese großzügigen Zeichen von Belgien, Großbritannien und Frankreich an den ehemaligen Feind Deutschland wurden von der deutschen Seite dankbar und demütig aufgenommen.

 

Belgien

In der katholischen Universität von Löwen wurde die deutsche Delegation an den deutschen „Furor“ erinnert, der in Löwen gewütet hatte: Ein Großteil der Stadt wurde in Schutt und Asche gelegt. Im großen, leeren wiederaufgebauten Saal der niedergebrannten weltberühmten Bibliothek von Löwen verweist eine kleine Vitrine mit zwei verkohlten Büchern auf das deutsche Kriegsverbrechen. In Deutschland wurde dies von damaligen Geistesgrößen im sogenannten Manifest der 93 ganz anders dargestellt:  „Es ist nicht wahr, daß unsere Truppen brutal gegen Löwen gewütet haben. An einer rasenden Einwohnerschaft, die sie im Quartier heimtückisch überfiel, haben sie durch Beschießung eines Teils der Stadt schweren Herzens Vergeltung üben müssen. Der größte Teil von Löwen ist erhalten geblieben. Das berühmte Rathaus steht gänzlich unversehrt. Mit Selbstaufopferung haben unsere Soldaten es vor den Flammen bewahrt. – Sollten in diesem furchtbaren Kriege Kunstwerke zerstört worden sein oder noch zerstört werden, so würde jeder Deutsche es beklagen. Aber so wenig wir uns in der Liebe zur Kunst von irgend jemand übertreffen lassen, so entschieden lehnen wir es ab, die Erhaltung eines Kunstwerks mit einer deutschen Niederlage zu erkaufen.“ Unterschrieben war das Manifest der 93 u.a. von Gerhard Hauptmann, Max Planck und dem Tübinger Theologen Adolf Schlatter. Für die Belgier zählt Löwen zu jenen sieben Märtyrerstädten, gegen deren Zivilbevölkerung die deutschen Soldaten besonders brutal vorgegangen waren. Dennoch hatte Löwen bereits im Jahr 1958 die Hand zur Versöhnung gereicht. Konrad Adenauer und Robert Schumann wurden damals mit der Ehrendoktorwürde der Universität Löwen ausgezeichnet, die einzige Ehrung, die Adenauer im Ausland erhielt, wie Bundespräsident Gauck in seiner Rede in der Universität hervorhob. Gauck erinnerte auch an die Sätze des damaligen Rektors Van Waeyerbergh, der betonte: „Wir sagen nicht in platonischer Weise, wir vergessen; wir sagen in christlicher Caritas, wir lieben!“


Großbritannien

Am 4. August 1914 trat Großbritannien als Garantiemacht für das neutrale Belgien in den Krieg ein. Im belgischen  Mons fand dann am 23./24. August die erste Schlacht zwischen deutschen und britischen Armeen statt, die in der britischen Erinnerungskultur eine bedeutende Rolle spielt. Bei Mons befindet sich ein Ort, der diese Erinnerung widerspiegelt: der Militärfriedhof von Saint Symphorien. Dort sind der erste und der letzte Soldat des Commonwealth, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, begraben. „Hier in St. Symphorien, auf von einem Belgier gestiftetem Land, im Geiste des Respekts und der Gleichbehandlung, der zur Grundlage der Arbeit der Commonwealth War Graves Commission werden sollte, bestatteten deutsche Soldaten die Toten aus Großbritannien, Irland und dem Commonwealth würdevoll neben ihren eigenen und pflegten ihre Gräber“, schreibt die Commonwealth Kriegsgräber Kommission.  Am 4. August 2014 eröffnete die britische Regierung durch Premierminister Cameron auf diesem Friedhof ihr vierjähriges nationales Programm zum Gedenken an den Ersten Weltkrieg. Die Feierlichkeit wurde von der BBC direkt übertragen und von britischer Seite von Prinz William und seiner Frau Kate, Prinz Harry, sowie vom Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, mitgestaltet. Gemeinsam mit ihnen und den anwesenden Staatsmännern legte Bundespräsident Gauck Blumen am großen Kreuz des Friedhofs ab. Alle Texte, die während dieser einmaligen Gedenkfeier verlesen wurden sowie die dicke Programm-Broschüre gab es für die eingeladene deutsche Delegation in deutscher Übersetzung. Die Feier endete mit einem Gedenken an alle Toten, die dieser schreckliche Krieg gekostet hat. Zu Beginn hatte Cameron appelliert: „Wir sollten nicht aufhören, den Frieden zwischen unseren Nationen als wertvolles Gut zu betrachten, und uns stets darüber bewusst sein, wie viel mühevolle Arbeit es gekostet hat, diesen Frieden aufzubauen.“     

 

Frankreich

90 Kilometer Schützengräben und Unterstände aus dem Ersten Weltkrieg sind auf dem Hartmannswillerkopf, einem knapp 1000 Meter hohen Berg in der wunderschönen Vogesenlandschaft, erhalten geblieben. Eine Gedenkstätte mit  Vaterlandsaltar und Krypta wurde 1932 eingeweiht. Jetzt soll dort ein erstes französisch-deutsches Museum zum Ersten Weltkrieg entstehen. Den Grundstein dazu legten die beiden Präsidenten Hollande und Gauck am 3. August 2014. Genau hundert Jahre zuvor hatte Deutschland Frankreich den Krieg erklärt. Mit einer Friedensbotschaft unterstrichen junge Menschen aus Deutschland und Frankreich, worum es heute geht: „Wir spüren, dass der Wille nach Frieden unter Jugendlichen stark ausgeprägt ist. Ein Beweis dafür ist unser großes Interesse, andere Länder und deren Kulturen kennenzulernen … Frieden und Freundschaft zwischen den Völkern sind nicht selbstverständlich. Deshalb ist es Eure Aufgabe, den Austausch zwischen den Kulturen aufrechtzuerhalten und durch zukünftige Jugendbegegnungen auszubauen. Angesichts kriegerischer Zustände auf der ganzen Welt solltet Ihr Fremdenfeindlichkeit bekämpfen, Euch vernetzen und Fremdsprachen lernen, um so dauerhaften und nachhaltigen Frieden für alle zu schaffen.“  Die Gedenkfeiern seien keine Nostalgie, betonte Präsident Hollande. Sie würden dem Sinn verleihen, was heute sei, besonders dem Patriotismus, der der Wille sei gemeinsam zusammenzuleben und dieselben Werte zu verteidigen. Damit die Menschen wieder Vertrauen in Europa bekommen, müsse Europa eine Perspektive des Wachstums, der Beschäftigung, der Solidarität eröffnen, aber auch der Kultur, der Bildung und der Wissenschaften. Um hier weiterzukommen, hänge vieles von der deutsch-französischen Freundschaft ab. Auf die aktuellen Krisen bezogen, sagte Hollande:  „Was für eine schönere Botschaft als jene könnten wir jenen, die über den Friedensprozess im Nahen Osten verzweifelt sind, heute bieten: Die Geschichte zwischen Frankreich und Deutschland zeigt, dass der Wille über den Fatalismus siegen kann, und dass Feinde sich versöhnen können. Neben dem Rückblick auf den Krieg, auf den Fanatismus, mit dem gekämpft wurde, auf den übersteigerten Nationalismus, richtete sich Gaucks Rede auf dem Hartmannswillerkopf ebenfalls nach vorne. „Wir können an einem historischen Projekt arbeiten, in dem nicht mehr die einen Sieger und die anderen Verlierer sind, sondern alle miteinander. „Nur Miteinander“, sagte er in Bezug auf Europa. Bildhafter Ausdruck waren für ihn die drei von den Franzosen gehissten Flaggen am Hartmannsweilerkopf: die französische neben der deutschen und dazwischen die Europafahne.

Die Erinnerung an den Großen Krieg ist in den Nachbarländern lebendig. In Deutschland beginnen die Menschen gerade, sich dafür zu interessieren. Es gibt viele Details zu entdecken, wie jenes, dass die Kanonen in der belgischen Festung Loncin, mit denen die deutschen Soldaten 1914 beschossen wurden, von der deutschen Firma Krupp stammten. Vielleicht setzt sich doch die in Loncin zu lesende Einsicht des Bürgermeisters von Saint Martin d’Estréaux, Pierre Monot, durch, der nach dem Krieg 1918 schrieb: „Hat der Krieg nicht endlich genug Leid und Elend verursacht, nicht genug Männer getötet, auf dass ihrerseits die Menschen die Einsicht und den Willen aufbringen, den Krieg zu töten.“  Im Herbst dieses Jahres wird die UNO voraussichtlich diskutieren, ob es zukünftig ein Menschenrecht auf Frieden geben soll.

 

Wiltrud Rösch-Metzler

pax christi Bundesvorsitzende