Unbeugsam und gradlinig
03. Apr 2023
Im März 1933 geboren zu werden, das bedeutete in die nationalsozialistische Zeit in Deutschland hineingeboren zu werden. Als Jugendlicher erlebte und überlebte Ferdi Kerstiens Bombenangriffe und Hunger, Leben in Kellern und immer mit Angst. Der Erwachsene, den wir in der pax christi-Friedensarbeit kennen lernen durften, hat sich mit diesem grausamen Krieg auseinandergesetzt. Er ist gradlinig und unbeugsam geworden.
So haben wir Ferdi Kerstiens in vielen Jahren seiner Arbeit und
seines Wirkens in pax christi erlebt. Ferdi hat sich immer klar positioniert,
er hat Konflikte nicht gescheut, war “meinungssicher” und argumentativ stark.
Das ist Ferdi bis heute geblieben. Seine Sorge um den Krieg Russlands gegen die
Ukraine treibt ihn um und lässt ihm keine Ruhe. Immer noch debattiert er in pax
christi mit und ringt mit uns um Positionen.
Lange war Ferdi Kerstiens Mitglied des Bundesvorstandes von pax christi (damals noch Präsidium). Von 2000 bis 2006 war er im Präsidium aktiv. Auch hier war er immer ein klarer Denker, der ohne große Umschweife seine Anliegen auf den Punkt gebracht hat. Seine Themen im Präsidium waren: Der Konflikt im Nahen Osten; der Dialog der Religionen und vor allem das Thema Globalisierung und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Zu letzterem hat er zeitweise auch in der Kommission mitgearbeitet und die Diskussion um wirtschaftliche Gerechtigkeit stark geprägt.
Ferdi ist auch Priester. Ein Priester, wie ich ihn mir immer
wieder gewünscht habe: Klar in der Auslegung, authentisch und mitnehmend auf
dem Weg als Christ hin zu diesem unserem Gott. Auch auf diesem Weg geht Ferdi
Kerstiens gradlinig den Konflikten um eine gerechte Kirche nicht aus dem Weg.
Ferdi ist streitbar, das haben auch so manche Bischöfe gespürt.
Seine Promotion hat er unter das Leitwort “Hoffnung geschieht im
Tun” gestellt. Mehr kann man selbst über
sich gar nicht sagen. Handeln ist die Voraussetzung für Hoffnung. So erlebe ich
Ferdi auch heute noch mit 90 Jahren.
All das aufzuschreiben, was Ferdi veröffentlicht hat oder wo und wie er über die Jahre hinweg auch pax christi mit Leidenschaft geprägt hat, würde den Rahmen sprengen. Aber wir wissen darum und wir wissen es zu schätzen.
Wenn ich die Überschrift über die Würdigung Ferdis zu seinem 90 Geburtstag gewählt habe: “Unbeugsam und gradling”, dann beschreibt das Ferdi Kerstiens so wie ich ihn immer wieder erlebt habe und hoffentlich noch lange erleben werde.
90 Jahre Ferdi Kerstiens heißt auch viele Jahre pax christi! Dafür danken wir, der heutige pax christi-Bundesvorstand ganz herzlich und verbinden die besten Wünsche für ein neues Lebensjahrzehnt damit.
Martin Buber hat einmal gesagt “Alles wirkliche Leben ist Begegnung”, diese Begegnungen, die das Leben, das wirkliche Leben ermöglichen, wünschen wir Ferdi Kerstiens von Herzen.
Gerold König, Bundesvorsitzender