Traudl Vorbrodt
19. Dez 2024
Unsere Freundin Traudl Vorbrodt ist am 6. Dezember 2024 im Alter von 86 Jahren gestorben.
Traudl hat gemeinsam mit ihrem Mann Eberhard, der 2017 starb, in den 1980er Jahren wesentlich dazu beigetragen, die Friedenarbeit von pax christi in Berlin zu erneuern. Friede bedeutete für Traudl im damals noch geteilten Berlin nicht nur die Forderung nach Abrüstung auf der eigenen Seite, der NATO und „des Westens“. Für sie stand immer auch der konkrete Einsatz für die Opfer von Krieg und Gewalt im Vordergrund. Dies wurde zum Kern ihres Dienstes am Frieden.
Über den Flughafen Schönefeld und Ost-Berlin gelangten in den 1980er Jahren viele Geflüchtete mit einem Transitvisum in den Westen der Stadt: Tamilen aus Sri Lanka, Menschen aus westafrikanischen Ländern wie Ghana und Nigeria, aber auch Geflüchtete aus dem Libanon und anderen Ländern des Nahen Ostens, vorwiegend mit palästinensischen Wurzeln. Traudl organisierte konkrete Hilfe und Beratung für diese Menschen. Ihr Haus in Berlin-Kladow war oft voll von Geflüchteten, die bei ihr Unterstützung in allen Lebenslagen suchten oder sich einfach nur bedanken wollten. Traudl waren sie alle willkommen, auch wenn sie manche in ihrer sehr direkten, manchmal etwas rauh und rauchig klingenden Art wissen ließ, was sie nicht gut fand. Geflüchtete, die Traudls Erwartungen an Integrationsbereitschaft nicht erfüllten oder glaubten, „Frau Traudl“ werde ihre Probleme schon lösen, konnten sich auf deutliche Worte gefasst machen. Das traf oft junge Männer, die sie wissen ließ, dass sie für patriarchalisches Denken wenig übrig hatte.
Unter den Vorzeichen verstärkter Fremdenfeindlichkeit, die vorwiegend in konservativen politischen Kreisen Resonanz fand, gelang es Traudl und ihren Mitstreiter:innen, durch beharrlichen Dialog, ein Mindestmaß an Menschenwürde für Geflüchtete zu erreichen, beispielsweise auch in Sammelunterkünften, und half mit, Deutschunterricht auf ehrenamtlicher Basis zu organisieren. Bald wurde deutlich, dass es unter den Geflüchteten Härtefälle gab, die durch das vorgegebene rechtliche Raster fielen. Traudl gehörte daher zu den ersten, die Härtefallkommissionen forderten und nach jahrelanger politischer Debatte durchsetzte. Sie selbst wurde Mitglied der Härtefallkommission in Berlin und blieb es 20 Jahre.
Lange Zeit war Traudl Mitglied der Kommission Asyl/Flüchtlinge der deutschen pax christi-Sektion und half, die zahlreichen pax christi-Gruppen zu vernetzen, die in den 1990er Jahren konkrete Solidarität mit Geflüchteten praktizierten und dies teils bis heute tun.
Traudls Engagement für Frieden und die Opfer von Krieg und Gewalt bedeutete für sie stets eine Gratwanderung. Sie hat dafür Strafverfolgung in Kauf genommen, aber auch Anerkennung erhalten. Das Bundesverdienstkreuz, das ihr 2008 verliehen wurde, gab sie 2018 vor dem Hintergrund der aus ihrer Sicht menschenunwürdigen Flüchtlingspolitik der „Großen Koalition“ im Bund zurück. Das Wort „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ (Apg 4,19) hat sie kompromisslos gelebt.
Traudl war bis ins hohe Alter und bis zum Ende ihres Lebens für Frieden und die Opfer von Krieg und Gewalt engagiert. Danken wir Gott für Traudl und setzen wir ihre Arbeit fort.