Willst du den Frieden, bewahre die Schöpfung
01. Jan 2010
Wie ist es denn um die Schöpfung bestellt?
Die Zerstörung der Schöpfung, der natürlichen Lebensgrundlagen von Mensch, Tier und Pflanze hat eine Dynamik erreicht, die uns heute de facto in die Verantwortung stellt, zu retten, was zu retten ist. Weltweit ist die Natur von den Auswirkungen des Klimawandels bedroht. Folgen des ungebremsten Ausstoßes von Treibhausgasen sind die globale Erwärmung, steigende Meeresspiegel, schmelzende Gletscher, Verschiebung von Klimazonen, Vegetationszonen und Lebensräumen, Wetterextreme wie Überschwemmungen und Dürren.
Wir wissen um die Ursachen dieser Katastrophen. Wir kennen die Gründe, die im Wirtschaften und Lebensstil der Industrieländer der nördlichen Halbkugel liegen. Ebenso wissen wir, dass wir als Angehörige eines der reichen Länder des Nordens zurzeit noch viel weniger von den Auswirkungen der Klimakatastrophe betroffen sind als die Menschen in den Ländern des Südens. Wir spüren, dass unsere Solidarität gefordert ist.
Wie ist es denn um den Frieden bestellt?
Es wird Krieg geführt. Am 1. Januar 2009 waren es 34 Länder die unter Krieg und gewaltsam ausgetragenen Konflikten zu leiden hatten:
Algerien, Tschad, Darfur im Sudan, Westsahara, Mali, Casamance im Senegal, Niger, Zentralafrikanische Republik, Äthiopien und Eritrea, Somalia, Ostkongo, Norduganda, Abchasien, Georgien, Südosetien, Nagorny Karabach, Tschetschenien, Israel und Palästina, Libanon, Irak, Afghanistan, Pakistan, Kaschmir, der indische Bundesstaat Nagaland, Sri Lanka, Myanmar, Südthailand, Nordkorea , Südkorea, das Volk der Hmog, West-Papua, Kolumbien
Wir wissen um die Ursachen der Kriege. Verteilungs- und Ressourcenfragen sind weltweit der häufigste Ausgangspunkt von Konflikten, die gewaltsam und kriegerisch ausgetragen werden. Da wird die Verbindung von potentiellem Frieden und der Bewahrung der Schöpfung ganz konkret. Warum? Die fossilen Energieträger allen voran das Öl - auf die die reichen Länder sich so angewiesen fühlen, finden sich größtenteils nicht auf dem Gebiet der nördlichen Industrienationen. Vor Jahren prangte ein Aufkleber mit dem Slogan Was macht unser Öl unter deren Sand? auf vielen Autos. Prägnanter lässt sich der Besitzanspruch, der seit dem 1. Weltkrieg zum Antreiber für Kriege gehört, kaum auf den Punkt bringen.
Der Lebensstil des Nordens, unser Lebensstil, beruht ganz wesentlich auf der Ausbeutung der Ressourcen des Südens. Nicht nur Öl, auch bspw. Coltan, aus dem Kongo , ohne das kein Handy gebaut wird oder Erdgas, Uran und Kupfer sind von hoher Bedeutung. Nur wenn die strukturelle Gewalt der gegenwär¬tigen Wirtschafts¬beziehungen überwunden wird, wenn allen der Zugang zu Ressourcen und Ent-wicklungsperspektiven eröffnet werden, können Frieden und Sicherheit für alle Menschen entstehen. Stattdessen hat diese Struktur der Ungerechtigkeit Eingang in die sogenannten Sicherheitskonzepte gefunden und wird nach militärischer Logik verteidigt. Die Konflikte um Zugang und Verfügungsmacht über die Bodenschätze der Erde (die Rohstoffe des westlichen Luxus) sind es, die militärisch-kriegerisch ausgetragen werden.
Das westliche Verteidigungsbündnis NATO und auch die Bundeswehr verschweigen nicht, dass sie ihre Aufgabe in der weltweiten Sicherung des freien und ungehinderten Welthandel(s) als Grundlage unseres Wohlstandes (Weißbuch der Bundeswehr 2006, 1.3) sehen. "In hohem Maße sei Deutschland von einer gesicherten Rohstoffzufuhr und sicheren Transportwegen in globalem Maßstab abhängig. [...] Energiefragen werden künftig für die globale Sicherheit eine immer wichtigere Rolle spielen." (ebd.) Geostrategische Interessen dominieren die heutigen Kriege, auch wenn zur Begründung eher Verpflichtung und Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung für so hohe Güter wie Menschenrechte, Schutz von Minderhei¬ten, Demokratie und Gleichberechtigung von Frauen als Ziele militärischer Interventionen propagiert werden. Solche Argumente haben zu einer politisch-moralischen Aufwertung der militärischen Gewalt als akzeptables Mittel zur Wahrung höchster Werte und zur Durchsetzung edler Ziele beigetragen. Die verheerende Wirkung der Kriege für Land und Leute, ob in Afghanistan oder anderswo aber bleibt und steht der Friedensbotschaft Jesu entgegen.
Was heißt das für uns?
Das diesjährige Leitwort hat appellativen Charakter. Es spricht uns ganz persönlich an: Willst du den Frieden, bewahre die Schöpfung. Es wirft uns mitten hinein in den globalen Zusammenhang, in die internationalen - auch wirtschaftlichen Verflechtungen, die jede/n von uns mit der Herausforderung verbinden, Frieden zu schaffen und die Schöpfung zu bewahren. Es ist ein wahrhaft politisches Motto, das uns stärkt im Wunsch mit unserem Handeln etwas zu bewirken. Es ruft uns auf, aktiv zu sein im Engagement für die Eine-Welt, in der Friedensarbeit oder den sozialen Bewegungen für Gerechtigkeit gerade weil wir wissen, dass Umweltzerstörung und Kriege auch in diesem Moment Teile von Gottes Schöpfung unwiederbringlich vernichten.
Christine Hoffmann
Generalsekretärin der deutschen Sektion der Internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi