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Kolumbien: Menschenrechte wichtiger als Wirtschaftsinteressen

18. Dez 2015

Offener Brief an NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft anlässlich ihrer Kolumbienreise

Sehr geehrte Frau Kraft,

zu Ihren Äußerungen während Ihrer Kolumbienreise vom 25. – 27. November möchten wir Ihnen unseren Widerspruch und massive Kritik mitteilen.

Die Reise in Begleitung einer Wirtschaftsdelegation aus NRW mit mittelständischen Unternehmer/innen, Professor/innen, aber auch Manager/innen von Konzernen wie Steag, Aurubis oder ThyssenKrupp hatte insbesondere den Zweck der Wirtschaftsförderung – so ist der offiziellen Ankündigung Ihrer Staatskanzlei zu entnehmen.

Aus der Rheinischen Post vom 30.11.2015 erfuhren wir, dass Sie bei einem Gespräch zum Thema Kohle von Gewerkschafter/innen und Menschenrechtsaktivist/innen über massive Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Steinkohleförderung informiert wurden. Darauf reagierten Sie lediglich knapp: „Ich kann das nicht bewerten, die Menschenrechtsfragen müssen vor allem hier vor Ort geklärt werden.“ Dann gingen Sie ohne Umschweife dazu über, die deutsche Bergbau-Technologie zu bewerben. (Quelle: RP, 30.11.2015)

Die hier unterzeichnenden Organisationen engagieren sich seit vielen Jahren für Klimaschutz und/oder Menschenrechte. In Kolumbien ist die Situation der Menschenrechte weiterhin gravierend. Gerade auch im Umfeld des Kohlebergbaus werden die Rechte der lokalen Bevölkerung vielfach missachtet und Umweltnormen verletzt, mit gravierenden Auswirkungen für die betroffenen Menschen. Für Gewerkschafter/innen ist Kolumbien weltweit eines der gefährlichsten Länder. Der kolumbianische Staat wird seiner Verantwortung, die Menschenrechte der Bevölkerung zu garantieren, nicht gerecht.  Seine Organe sind sogar selbst immer wieder in massive Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Die Verbesserung der Menschenrechtssituation einzufordern – beispielsweise bei Ihrem Gespräch mit Präsident Santos – sollte aus unserer Sicht bei jedem Besuch von Kolumbien selbstverständlich dazugehören. Die Arbeit von Menschenrechtsverteidiger/innen und Umweltschützer/innen ist in Kolumbien lebensgefährlich. Ohne internationalen Rückhalt sind sie schutzlos.

Sie haben bei Ihrer Reise – so scheint uns nach Lektüre der Berichterstattung in den Medien – eine ganz wichtige Chance verpasst, den lokalen Menschenrechtsverteidiger/innen den Rücken zu stärken. Dies ist gerade deshalb umso tragischer, weil es gerade bei Bergbau und Kohleförderung zu massiven sozialen Konflikten, Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen gekommen ist. Nur einige Beispiele:

-          Die indigene Gemeinde Tamaquitos hat nach der Umsiedlung durch das Kohleunternehmen Cerrejon bis heute keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die afrokolumbianische Gemeinde Tabaco wartet nach der brutalen Zwangsumsiedlung und Zerstörung ihres Dorfes immer noch auf eine angemessene Entschädigung, berichtet ihr Vertreter Samuel Arregocés bei seiner Europa-Reise im Herbst 2015.

-          Laut UN-Hochkommissariat für Menschenrechte werden die Rechte indigener Bevölkerung auf vorherige Konsultation bei Großprojekten in der Regel nicht angemessen umgesetzt.

-          Die niederländische Friedensorganisation PAX weist in ihrem Bericht „The Dark Side of Coal“  darauf hin, dass zahlreiche Zeugen unter Eid ausgesagt haben, dass Kohleminenbetreiber die paramilitärischen Gruppen mitfinanziert haben, die tausende ermordet und zehntausende Menschen vertrieben haben.

-          Der nationale Entwicklungsplan Kolumbiens sieht vor, dass bei Wirtschaftsprojekten von besonderem Interesse die Landrückgabe ausgeschlossen werden kann und stellt damit die Wirtschaftsinteressen über die Rechte der Opfer von brutaler Vertreibung. (ai-Bericht zu Land)

-          Schwerwiegende und wiederholte Verletzungen der nationalen Umweltgesetzgebung durch das Unternehmen Glencore werden in dem 2015 veröffentlichten Schattenbericht „Shadow Report on the Sustainability of Glencore’s Operations in Colombia“ nachgewiesen.

Längst setzt sich auf internationaler Ebene die Erkenntnis durch, dass Unternehmen und Importeure von Waren mit in die Pflicht genommen werden müssen, wenn es in der Lieferkette zu Menschenrechtsverletzungen kommt. Die Bundesregierung erarbeitet gerade in einem umfassenden Prozess unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, der die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte auch durch Deutschland garantieren soll. Außenminister Frank-Walter Steinmeier erklärte dazu: „Nicht nur Regierungen, auch Unternehmen stehen in ihrem globalen Handeln in Verantwortung für Menschenrechte. Was für einzelne profitabel ist, das sollte für alle anderen nicht schädlich sein!“ 

Dieses Prinzip muss auch im kolumbianischen Kontext angewandt werden.

Stellen auch Sie sich dieser Auseinandersetzung und der Verantwortung, die sie als Ministerpräsidentin von NRW in dieser Frage tragen! Menschenrechte müssen überall gelten. Und Sie sollten darüber wachen, dass auch Zulieferer, Investoren und Importeure ihre Verantwortung entlang der Lieferkette wahrnehmen!

Auch der Klimagipfel in Paris zeigt deutlich, dass die Kohleförderung und -Verstromung zügig gestoppt werden müssen  zum Schutz der Menschen in den Abbaugebieten und des globalen Klimas.

Daher fordern wir Sie auf:

-          Setzen Sie sich energisch für die Menschen- und Umweltrechte der Menschen in Kolumbien ein, insbesondere für die der von Bergbau betroffenen Bevölkerung und der darin Beschäftigten. Nehmen Sie dabei auch deutsche Unternehmen in die Verantwortung.

-          Tragen sie konsequent zum Klimaschutz und deshalb auch zum baldigen Ausstieg aus der Kohleförderung und -Verstromung bei. Fördern Sie erneuerbare Energien in Deutschland wie im Ausland.

Für weitere Informationen zum Kohlebergbau in Kolumbien und den damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen stehen wir zur Verfügung und bieten Ihnen gerne einen Dialog dazu an.

Mit freundlichen Grüßen

Margaret Buslay , pax christi - Kommission Solidarität Eine Welt                           
Sebastian Rötters, PowerShift - Verein für eine  ökologisch-solidarische Energie  - & Weltwirtschaft e.V 
Christian Wimberger, Christliche Initiative Romero  (CIR)/ Kampagne Stop Mad   Mining 


Unterzeichner/innen in NRW:

action pro colombia Aachen

ATTAC Niederrhein – c/o Klaus Kubernus-Perscheid - Wesel

BASO – Basis Initiative Solidarität, Wuppertal

Christliche Initiative Romero (CIR) – Münster

Dachverband der kritischen Aktionäre - Köln

Diözesanrat der Katholiken im Bistum Aachen

Dr. Zeljko Crncic; Deutsches Institut für Entwicklungspolitik

FIAN - FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk – Köln

IESA e.V.

ila – Informationsstelle Lateinamerika - Bonn

Informationsbüro Nicaragua Wuppertal

Initiative Dortmund Kolumbien

Klimabündnis Niederrhein – c/o Norbert Bömer – Duisburg

Rainer Koester, Gewerkschafter Velbert

Kolumbiengruppe der ESG Köln

Lüner Initiative gegen globale Armut-LIGA - Lünen

pax christi - Kommission Solidarität Eine Welt, c/o Margaret Buslay, Erkrath

Pfarrer Hans Mörtter, Evangelische Kirchengemeinde Köln-Südstadt

Rainer Lukaschek, Facharzt für Allgemeinmedizin, Bottrop

Ulrich Röck, Vorsitzender des Kreisverbandes der GEW Mettmann

STOP MAD MINING – c/o CIR – Münster

Ulla Sparrer, Wuppertal

Heinz Peter Vetten, Wassenburg

 

Weitere Unterzeichner/innen:

 

ecomujer e.V.

FDCL – Forschungs-und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. – Berlin

Gesellschaft für bedrohte Völker, Göttingen

Kaffeekolletiv Aroma Zapatista, Hamburg

Kolumbiengruppe Hamburg

Powershift - Verein für eine ökologisch-solidarische Energie- & Weltwirtschaft e.V. – Berlin

Alejandro Rodriguez - AK Kolumbien und Kohle, Frankfurt
Burkhard Remppis, Emden
Dr. Christiane Schulz, Filderstadt
Johanna Stöppler, Hamburg