Deeskalation ist das Gebot der Stunde
23. Feb 2022
Mit der Infragestellung der Ukraine als eigenständiger Staat, der Anerkennung von Donezk und Luhansk als unabhängige Staaten und der Ankündigung, russische Truppen dorthin zu entsenden, hat der russische Präsident Putin eine weitere Eskalationsstufe im Konflikt um die Ukraine und mit der NATO und der EU beschritten.
pax christi verurteilt diese Eskalation aufs Schärfste und unterstützt die Forderung der Bundesregierung, diese völkerrechtswidrigen Schritte sofort zurückzunehmen und zu den Minsker Abkommen und zur Diplomatie zurückzukehren. Ebenso unterstützen wir die Pläne, wieder mehr OSZE-Beobachter:innen in den Osten der Ukraine zu entsenden, da diese bei der Deeskalation vor Ort eine wichtige Rolle wahrnehmen. Festzuhalten ist seitens der Bundesregierung am Verzicht auf Waffenlieferungen an die Ukraine.
Trotz Verständnis für das Bedrohungsempfinden auf russischer Seite und des Wissens um provozierende politische Schritte der NATO, nimmt pax christi die jüngsten politisch-militärischen Schritte Russlands als Infragestellung der europäischen Sicherheitsarchitektur wahr. Putins Vortrag am 21.02.22 verdeutlicht seine Machtansprüche und den Willen zur Rückkehr zu Gebietsansprüchen der Sowjetunion.
Diese Politik Putins stellt die demokratische Ordnung der Ukraine und internationales Recht infrage. Gerade deshalb müssen EU und NATO jetzt an deeskalierenden, zivilen Maßnahmen festhalten. Die Wirkung von Sanktionen muss unter dem Aspekt des Schutzes der Bevölkerungen abgeschätzt und so gestaltet werden, dass sie zur Deeskalation der Situation beitragen können. Die Wiederherstellung der Sicherheit und Integrität der Ukraine kann nur auf dem Verhandlungsweg beschritten werden.
pax christi setzt sich für die Entwicklung einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur unter Einbezug Russlands und der Ukraine ein. Dieses Ziel muss an die Stelle der Diskussion über weitere NATO-Erweiterungen treten.
Für eine Verständigung zwischen Russland und dem Westen gibt es zahlreiche Formate, die unter Einbeziehung der Ukraine genutzt werden müssen. Die Charta von Paris aus dem Jahr 1990, die Achtung und Zusammenarbeit als Grundlage der gegenseitigen Beziehungen bestimmt und die jede Androhung und Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität von Staaten ächtet, ist dafür die Grundlage. pax christi fordert die Bundesregierung auf, sich für eine Rückkehr zur NATO-Russland-Grundakte einzusetzen, die auf eine dauerhafte Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen verzichtet. NATO-Manöver sollten nicht an der russischen Grenze abgehalten werden, wie es mit Defender 2020 geplant war. Zudem müssen die NATO-Staaten ihre Mitverantwortung für die Verschlechterung der Beziehungen zu Russland anerkennen und auf irritierende und provozierende Akte verzichten. Das Zugeständnis an die Ukraine, zum jetzigen Zeitpunkt Mitglied der NATO werden zu können, darf auf keinen Fall gemacht werden, zumal es eine klare Zusage an den damaligen Präsidenten Gorbatschow gab, dass die Ukraine nicht Mitglied der NATO wird. Von Russland muss ein deutlich erkennbarer Abzug seiner Streitkräfte und Waffen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine erfolgen.
Sicherheit für die Ukraine und Russland sind darüber hinaus auch auf politischem, wirtschaftlichem und insbesondere energiepolitischem Feld zu gewährleisten. Die Energiewende wird die Regierungen ebenso wie die Bevölkerung in beiden Staaten vor große Probleme stellen, da dort die Energieversorgung nahezu ausschließlich aus fossilen Energieträgern erfolgt. Deutschland und die Europäische Union insgesamt können hier einen wesentlichen Baustein zur Sicherheitsarchitektur beitragen, indem sie die Länder bei der Umstellung der Energieversorgung auf nachhaltige Produktionstechniken unterstützen, die den Zielen des Pariser Klimaabkommens entsprechen.
pax christi fordert die Bundesregierung auf, weiterhin die verschiedenen Gesprächsformate zwischen den Konfliktparteien mit dem Ziel einer friedlichen Beilegung des Konfliktes nach Kräften zu unterstützen. Dabei muss von der Bundesregierung und der Europäischen Union der Weg zu einer europäischen Sicherheitspolitik unter Einschluss Russlands und der Ukraine konsequent weitergegangen werden.