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Doomsday-Uhr.jpg

Atomwaffen – (k)ein Auslaufmodell!

25. Aug 2020

Online-Veranstaltung am 19. August 2020 anlässlich des 75. Jahrestags des Atombombenabwurfs

„Heutige Atomwaffen können ihr Ziel schneller erreichen, als die meisten Menschen morgens ihren Arbeitsplatz“, beschrieb Thomas Zuche, Politologe und Theologe die Situation. Die „Doomsday Uhr“, die uns die Nähe der Bedrohung vor Augen führen soll, steht mittlerweile 100 Sekunden vor 12.

Mit den Abrüstungsverträgen Ende der 1980er Jahre schien der Kalte Krieg beendet. Heute „taut er wieder auf“, wie Zuche es formulierte: Abrüstungsverträge würden gekündigt, beide Supermächte modernisieren stark ihre Langstreckenraketen, U-Boote und entwickelten neue Atomwaffen. Die Bundeswehr wolle die 35 Jahre alten Tornado-Bomber durch neue Flugzeuge ersetzen, die auch zum Transport moderner Atomwaffen genutzt werden könnten.

Gleichzeitig steige das Risiko eines Atomkriegs aus Versehen durch extrem verkürzte Vorwarnzeiten, immer komplexere Frühwarnsysteme, unkalkulierbare automatisierte Entscheidungen, zunehmende Cyberangriffe, die Gefahr durch Angriffe von terroristischen Gruppen und eine angespannte politische Lage wie wir sie schon jetzt zwischen den USA und Russland sowie den USA und der Volksrepublik China und weiteren Mächten hätten.

Während im Kalten Krieg die Atomwaffen der Kriegsverhinderung durch „Abschreckung“ dienten, werde zunehmend ein Atomkrieg für führbar gehalten. „Heute gilt nicht mehr: Wer als erster schießt, stirbt als zweiter, sondern: Wer als erster schießt, hat eine größere Chance zu gewinnen“, erläuterte Zuche.

Die Frage nach der Position der christlichen Kirchen angesichts dieser Situation leitete der zweite Referent, Horst-Peter Rauguth, Geistlicher Beirat der katholischen Friedensbewegung pax christi mit der Aussage von Konrad Lübbert ein: „Manche Japaner nennen noch heute die Atombombe die ‚christliche‘ Bombe, weil sie von Christen entwickelt, von Christen gutgeheißen und von Christen eingesetzt wurde.“

Tatsächlich hielten auch bekannte Theologen, wie der frühere EKD-Vorsitzende Dibelius oder der Moraltheologe Prof. Gundlach SJ den Einsatz von Atomwaffen für moralisch nicht verwerflich und ihren Einsatz für gerechtfertigt. Auch die Lehre vom gerechten Krieg halte an der Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen als ultima ratio („letzte Handlungsmöglichkeit“) fest.

Als in der Friedensbewegung engagierter Theologe und Diakon sieht sich Rauguth stattdessen in der Theologie des II. Vatikanischen Konzils beheimatet und zitiert kirchliche Aussagen, welche den Einsatz von Atomwaffen als „Sünde“ und „Verbrechen an der Menschheit“ (Vollversammlungen des Ökumenischen Rats der Kirchen). So forderten auch der frühere pax christi-Präsident, Bischof em. Algermissen (Erklärung 2018 anlässlich des 73. Jahrestags der Atombombenabwürfe) und die Deutsche Kommission Justitia et Pax (Votum vom 17.06.2019), dass die Strategie der atomaren Abschreckung aufgegeben werden müsse.

Immer lauter werde der Ruf nach einer „Ächtung der Atomwaffen“, so der jetzige Präsident von pax christi, der Mainzer Bischof Dr. Kohlgraf in seiner Erklärung zum 75. Jahrestag der Atombombenabwürfe. Diese Aussage und auch die Haltung von Papst Franziskus, der den Besitz und Einsatz von Atomwaffen für ethisch nicht vertretbar hält, machten Mut, sich weiter gegen Atomwaffen zu engagieren, auch wenn im Moment keine Massen dafür auf die Straße gehen.

Nach den Impulsreferaten diskutierten die beiden Referenten mit den online zugeschalteten Teilnehmenden auch über die aktuelle nationale und globale Politik und die neuen Herausforderungen.

Trotz des bedrückenden Themas gab es zum Abschluss zwei Hoffnungszeichen: 2017 erhielt ICAN, die Internationale Kampagne für die Ächtung der Atomwaffen den Friedensnobelpreis und im gleichen Jahr unterzeichneten 122 Staaten in der UNO den Atomwaffenverbotsvertrag. Sobald dieser von 50 Staaten ratifiziert ist, sind die Atomwaffen völkerrechtlich geächtet. „Eine Welt ohne Atomwaffen ist möglich und nötig, damit die Generation der Kinder und Enkelkinder nicht im Schatten der Bombe leben muss“, so das Abschluss-Statement von Thomas Zuche. Es brauche wache Menschen, einen langen Atem und Festhalten an der Vision einer friedlichen Welt.  

Die Veranstaltung war eine Kooperation vom Forum Katholische Akademie, in dem das Heinrich-Pesch-Haus, die Speyrer Dom-Pfarrei Pax Christi und die Katholische Erwachsenenbildung zusammenarbeiten und der pax christi-Diözesanverband Speyer.