HeidelbergCement muss Völkerrecht achten
27. Mai 2015
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, sehr geehrte Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat,
mein Name ist Manfred Budzinski. Ich spreche hier für den Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre, für pax christi Baden-Württemberg sowie als Sprecher der Nahost-Kommission der internationalen katholischen Friedensbewegung pax christi, Deutsche Sektion.
Ich muss leider - wie im vergangenen Jahr - feststellen, dass HeidelbergCement mit seinen geschäftlichen Aktivitäten einer seiner Tochterfirmen in dem von Israel besetzten Westjordanland weiterhin und fortgesetzt gegen das Völkerrecht verstößt, und stelle deshalb den Antrag auf Nichtentlastung des Vorstands und des Aufsichtsrats für das vergangene Geschäftsjahr.
Begründung
In den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen in der Neufassung von 2011 heißt es in den Erläuterungen zu dem Kapitel Menschenrechte: „Außerdem sollten die Unternehmen in Situationen bewaffneter Konflikte die Standards des Humanitären Völkerrechts einhalten, was den Unternehmen dabei helfen kann, dem Risiko vorzubeugen, negative Auswirkungen zu verursachen oder einen Beitrag dazu zu leisten, wenn sie in solch einem schwierigen Umfeld tätig sind.“ Diese Leitsätze der OECD gelten auch für HeidelbergCement, werden jedoch nicht befolgt.
Die HeidelbergCement AG unterstützt durch ihre Geschäftspolitik weiterhin und fortgesetzt die Nichteinhaltung des Völkerrechts in dem von Israel besetzten Westjordanland. Deshalb bereiten zur Zeit Nichtregierungsorganisationen eine Beschwerde gegen HeidelbergCement vor, die bei der Nationalen Kontaktstelle im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zur Umsetzung der OECD-Empfehlungen für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln in einem globalen Kontext bezogen auf HeidelbergCement eingereicht wird.
Artikel 1 der Vierten Genfer Konvention verpflichtet alle Staaten, für die Durchsetzung der Einhaltung des geltenden Völkerrechts Sorge zu tragen. Nach dieser Konvention sind der Lebensraum und die Institutionen der ansässigen Bevölkerung vor willkürlicher Enteignung, Zerstörung und Besiedlung durch die Besatzungsmacht geschützt. Es ist eines der „weltweit führenden Baustoffhersteller“ nicht würdig, völkerrechtswidrig zu produzieren und so internationales Recht nicht einzuhalten und sich maßgeblich am Bruch des Völkerrechts zu beteiligen.
Auf einer großen internationalen Tagung , von Brot für die Welt, Misereor und dem Potsdamer Menschenrechtszentrum am 7. Juli 2014 in Berlin organisiert, wurde darüber informiert, welche Rolle insbesondere Drittstaaten bei der Durchsetzung des humanitären Völkerrechts zukommt. Dort wies der Generaldirektor der palästinensischen Menschenrechtsorganisation Al-Haq , der Vizepräsident der Fédération internationale des ligues des droits de l`Homme (FIDH) und Kommissionsmitglied der renommierten Organisation International Commission of Jurists ist, darauf hin, dass auch deutsche Unternehmen von den völkerrechtswidrigen Maßnahmen profitieren würden, was nicht sein dürfe. Er nannte in diesem Zusammenhang ausdrücklich auch HeidelbergCement.
In dem Geschäftsbericht auch von 2014 werden die Bereiche in Israel und in der Westbank einfach unter Israel zusammengefasst und es wird gleichzeitig verschleiert, dass so gut wie sicher für den illegalen Bau der Mauer weithin auf besetztem Gebiet und für die illegalen israelischen Siedlungen produziert und geliefert wird – aus Geschäftsbereichen von Hanson Israel, die nicht zu Israel gehören, wie auch aus Geschäftsbereichen, die auf dem israelischen Staatsgebiet liegen, was Beides klar gegen das Völkerrecht wie auch gegen die OECD-Leitsätze verstößt.
Der Staat Israel als Besatzungsmacht ist verpflichtet, sich an das Humanitäre Völkerrecht zu halten. U.a. die Europäische Union unterstreicht dies auch ganz deutlich. Nach der Haager Landkriegsordnung von 1907 ist es einer Besatzungsmacht eindeutig verboten, feindliches Eigentum wegzunehmen oder zu zerstören und sich Rohstoffe aus besetzten Gebieten anzueignen. Dies ist gültiges und geltendes und damit auch verbindliches Völkerrecht – und durchgehend die Position der internationalen Gemeinschaft, ob der UNO, EU, USA, Deutschlands, des Internationalen Gerichtshofs für Menschenrechte oder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte!
Namhafte, international anerkannte israelische Rechtsexperten haben bereits 2012 festgestellt, dass die Lizenzvergabe an israelische Unternehmen für den Abbau von Rohstoffen in einem Gebiet mit kriegsführender Besatzung illegal ist.
Da kann sich HeidelbergCement nicht hinter dem Obersten Gerichtshof Israels verstecken, wenn dessen Auffassung von praktisch der gesamten internationalen Völkergemeinschaft nicht getragen wird.
Kurz zum Hintergrund:
Laut Geschäftsbericht 2012 kam es 2007 zum Kauf des britischen Unternehmens Hanson. Eine Tochterfirma des Baustoff-Herstellers Hanson ist Hanson Israel mit Sitz in Ramat Gan. Dadurch unterhält HeidelbergCement auf dem besetzten palästinensischen Gebiet zwei Betonwerke (in Modiin Illit und Atarot) sowie ein Asphaltwerk und einen sehr großen Steinbruch Nahal Raba (südlich von Elkana). Für den Steinbruch wurden von israelischer Seite über 50 Hektar Land von Bauern in der palästinensischen Gemeinde Az-Zawiya, auf deren Gemarkung er liegt, beschlagnahmt. Anders hätte dieser Steinbruch gar nicht eingerichtet werden können.
Von der Botschaft der Palästinensischen Vertretung in Berlin wurde mir mehrfach ausdrücklich bestätigt, dass es keinerlei Verträge zwischen der Palästinensischen Autonomiebehörde und der israelischen Regierung über den Abbau in Steinbrüchen in den von Israel völkerrechtswidrig besetzten palästinensischen Gebieten gibt. D.h., es gibt keine Abbaugenehmigungen durch die palästinensische Seite, also durch die wirklichen Eigentümer!
Der Aufsichtsrat ist seiner Kontroll- und Aufsichtspflicht nicht nachgekommen, da er es zulässt, dass der Vorstand durch seine Geschäftspolitik die Nichteinhaltung des Völkerrechts in dem von Israel besetzten Westjordanland unterstützt. Es dürfte dem Aufsichtsrat bekannt sein, dass vor nunmehr fast 11 Jahren (2004) das Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs (IGH) zum Mauerbau die Rechtswidrigkeit bestimmter israelischer Besatzungsmaßnahmen bekräftigte , darunter den Bau von Siedlungen, und die Rechtspflicht aller Staaten bestätigte , diesen Maßnahmen „keine Beihilfe oder Unterstützung“ zu gewähren. Dies gilt somit auch für die Unternehmensbereiche von Hanson Israel, die im Staatsgebiet Israels innerhalb der Grenzen von vor 1967 liegen! Der Europäische Gerichtshof hat 2010 geurteilt, dass Siedlungen nicht zum Staatsgebiet Israels zählen. Die israelischen Siedlungen in der Westbank und in Ostjerusalem sind ein Haupthindernis auf dem Weg zu einem gerechten Frieden in Nahost. Auf der Homepage des Auswärtigen Amtes heißt es: „In Bezug auf Eigentumserwerb oder Investitionen in den Siedlungen wird darauf hingewiesen, dass die Siedlungen nach Auffassung der Bundesregierung gegen das Völkerrecht verstoßen.“
Wie verhalten sich andere Regierungen und internationale Unternehmen? Ein paar Beispiele:
Die britische, die dänische und die niederländische Regierung haben den einheimischen Unternehmen den Rückzug aus den Siedlungen und aus Kooperationen mit entsprechenden israelischen Unternehmen empfohlen. Die britische Regierungsbehörde Trade & Investment z. B. warnt vor Risiken bei wirtschaftlichen und finanziellen Aktivitäten in den Siedlungen und weist auf mögliche Auswirkungen auf den guten Ruf eines Unternehmens hin. Das französische Finanz- und das Außenministerium warnten erst im April 2015 das Konsortium Safege, das aus 25 Unternehmen, u.a. Michelin und Renault besteht, vor den rechtlichen Risiken eines Engagements in einem Straßenbahnprojekt im besetzten Ostjerusalem, woraufhin sich das Konsortium zurückzog.
Mehr als 20 große Renten- und Pensionsfonds sowie Banken in Europa und in Übersee haben sich von ihren Elbit-Anteilen getrennt. Elbit liefert sog. Sicherheitstechnologie für die Mauer und die Siedlungen wie auch Drohnen an die israelische Armee. Zu den Einrichtungen, die sich zurückziehen, gehören der niederländische Pensionsfonds PFZW bzw. die Investmentgesellschaft PGGM, der norwegische Regierungs-Pensionsfonds, der schwedische Nationale Pensionsfonds. Der Ethikrat des schwedischen Första AP-Fonden hatte dazu eine klare Position bezogen. Banken wie z.B. die Danske Bank, die größte Bank in Dänemark, ziehen sich aus der Zusammenarbeit mit israelischen Banken, die auch in Geschäftsbeziehungen zu den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in der Westbank stehen, zurück. PGGM zog seine Investitionen von fünf israelischen Banken zurück, worüber groß in den Medien berichtet und auch im Parlament diskutiert wurde. Die niederländische ASN Bank zog ihre Investitionen aus Veolia zurück. Der britische Sicherheitskonzern G4S kündigte seinen Rückzug aus der Beteiligung an israelischen Gefängnissen, in denen palästinensische politische Gefangene ohne Anklage festgehalten und gefoltert werden, an – nach einer Kampagne von Studentenvereinigungen und Gewerkschaften sowie Kündigung von Verträgen mit G4S durch die Bill Gates Stiftung.
Oder nehmen Sie das Beispiel von Barclays, der drittgrößten Bank in Großbritannien mit weltweit etwa 140.000 Beschäftigten, ein international agierendes Finanzunternehmen. Die Bank ist eine der 28 Großbanken, die vom Financial Stability Board als „systemically important financial institution“ (systemisch bedeutsames Finanzinstitut) eingestuft wurden. In einer 2011 an der ETH Zürich veröffentlichten Studie wurde Barclays als einflussreichstes Unternehmen der Weltwirtschaft bezeichnet. Wegen ihrer Elbit-Aktien wurde Barclays in der Öffentlichkeit heftig kritisiert, über 1,7 Millionen Menschen unterzeichneten den Aufruf an Barclays, sich von den Elbit-Aktien zu trennen. Es kam landesweit zu zahlreichen Besetzungen von und Protesten vor Filialen der Bank. Im April 2015 konnte man feststellen, dass Barclays keine Elbit-Aktien mehr hält.
Nach der Deutschen Bahn, die sich aus dem Bau einer auch durch die Westbank führenden Eisenbahnlinie zurückzog, verkaufte der französische Konzern Veolia seine Buslinien, die zu den Siedlungen führen sollten. Der niederländische Konzern Vitens stellte Anfang 2013 seine Zusammenarbeit mit dem israelischen Trinkwasserhersteller Mekorot mit der Begründung ein, Israel würde die Wasserquellen im Westjordanland ausbeuten. Das niederländische Technologieunternehmen HaskoningDHV zog seine Verhandlungen bezüglich einer Kläranlage im besetzten Ost-Jerusalem zurück. Bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank bereits im Jahre 2010 erklärte der Vorstandsvorsitzende, Herr Ackermann, dass die Deutsche Bank keinerlei Positionen an Elbit – und zwar weder direkt noch via Kunden – hält. Da wären Sie bei einer Trennung von Hanson Israel in einer guten Gesellschaft!
Das Ihnen sicher nicht unbekannte, nach eigenen Angaben eines der weltweit führenden Baustoffunternehmen CEMEX wurde im August 2013 von der Nordeuropäischen Bank Nordea aus dem Nordea Investment Management´s investment universe wegen Verletzung internationaler Normen bezogen auf die Menschenrechte ausgeschlossen, weil CEMEX „nicht erneuerbare Rohstoffe aus besetztem Gebiet entnimmt“. Das müsste Ihnen sehr zu denken geben! Wie auch, dass Kirchen im angelsächsischen Raum ihre Anteile in großen Konzernen wie Hewlett Packard , Caterpillar, Motorola und General Electric abziehen, die in Siedlungen involviert sind. Bereits 2009 hat der Weltkirchenrat den Boykott von Unternehmen empfohlen, „die an der Lieferung von Sicherheitssystemen für israelische Siedlungen verdienen“, wobei u.a. an die Firma Caterpillar gedacht war. Aber auch die Allianz verdient im Rahmen der Vermögensverwaltung über das Halten von Elbit-Aktien für ihre Kunden täglich daran. Das wurde gestern auf der Hauptversammlung der Allianz angesprochen.
Wenn sich zahlreiche Banken aus der Zusammenarbeit mit israelischen Banken, die auch in Geschäftsbeziehungen zu den völkerrechtswidrigen israelischen Siedlungen in der Westbank stehen, zurückziehen, dann sollte dies auch einem Unternehmen wie HeidelbergCement möglich sein. Einem Unternehmen, das Material - aus besetztem und enteignetem Gebiet - für den Bau dieser Mauer und für die israelischen Siedlungen liefert - auch um einem ähnlichen Bankenhandeln gegen HeidelbergCement zuvorzukommen!
Der Staat Israel entstand 1948 auf Grund einer UN-Resolution. Seit Jahrzehnten halten sich israelische Regierungen nicht an das Humanitäre Völkerrecht und ignorieren alle weiteren sie betreffenden UN-Resolutionen. Dies kann aber für ein DAX-Unternehmen wie HeidelbergCement kein - ich wiederhole - kein Grund sein, ähnlich zu handeln! Es ist eines der „weltweit führenden Baustoffhersteller“ mit vielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in mehreren Dutzend Ländern nicht würdig, völkerrechtswidrig zu produzieren und so internationales Recht nicht einzuhalten und sich maßgeblich am Bruch des Völkerrechts zu beteiligen.
Wie bezeichnen Sie die Tatsache, dass Sie auf illegal enteignetem, - oder soll man sagen gestohlenem? - Gebiet Rohstoffe abbauen und Produkte erzeugen, die Sie dann an die eigentlichen Besitzer wieder verkaufen? Nach deutschem Recht gibt es hierzu eindeutige strafrechtliche Bezeichnungen.
Völkerrechtlich hat sich auch für HeidelbergCement mit der Anerkennung der besetzten palästinensischen Gebiete als Staat Palästina durch die UNO-Vollversammlung am 29. November 2012 sowie dem Beitritt Palästinas zur Genfer Konvention sowie weiteren internationalen Institutionen wie z.B. dem IGH etwas gravierend verändert. Sie werden sich aus den 4 Bereichen von Hanson Israel in den besetzten Gebieten - jetzt im Staat Palästina - zurückziehen müssen und eine Entschädigung an die rechtmäßigen Besitzer zahlen müssen. Je schneller desto besser, denn der Staat Palästina, vertreten durch die Palästinensische Autonomiebehörde, wird zum Internationalen Gerichtshof gehen und dies einklagen. Dort werden Sie - auch unter dem Aspekt der Umweltbelastung - „keine gute Figur machen“. Wollen Sie dort mit „fliegenden Fahnen untergehen“? Vielleicht können Sie aber auch eine solche Niederlage vor Gericht und den damit verbundenen Ansehens- und Vertrauensverlust noch vermeiden, indem Sie recht schnell den Geschäftsbereich von Hanson Israel im Staat Palästina - es handelt sich ja lediglich um 4 von insgesamt 31 Teilen von Hanson Israel, d.h., es geht um nur einige Millionen Euro - symbolisch für 1 Euro an die Palästinensische Autonomiebehörde oder an einen palästinensischen Investor verkaufen.
Es kann jetzt eigentlich nur noch darum gehen, weitergehenden Schaden von HeidelbergCement und negative Auswirkungen für die Aktionärinnen und Aktionäre abzuwenden. Wenn wir vom Völkerrecht und von den OECD-Leitsätzen her argumentieren, ist es also klar: Sie müssen die 4 Bereiche mit einer Entschädigungszahlung zurückgeben. Als Aktionär würde ich dazu raten, so schnell wie möglich zu verkaufen und eine Entschädigung an die früheren EigentümerInnen zu zahlen, bevor der vorher geschilderte Fall eintritt. Dazu gehört auch die Aufgabe aller Geschäftsbeziehungen der Bereiche von Hanson Israel, die in den illegalen Siedlungen und/bzw. beim illegalen Mauerbau tätig sind.
Ich bitte Sie um die Beantwortung der folgenden drei Fragen, die ich Ihnen schon vor Beginn der Hauptversammlung übermittelt habe:
- Inwiefern sind das Völkerrecht und die OECD-Leitsätze für Sie gültige und maßgebliche Leitplanken in Ihrer Geschäftstätigkeit?
- Wann werden Sie ein Rechtsgutachten bezogen auf Ihre Verpflichtungen im Westjordanland nach dem Völkerrecht, auch nach der Anerkennung des Staates Palästina, einholen?
- Wann werden Sie sich von dem Geschäftsbereich von Hanson Israel, der in der Westbank liegt, sowie von Hanson Israel, sofern von dort aus die illegalen Siedlungen und/bzw. der illegale Mauerbau unterstützt werden, trennen, auch um weiteren Schaden vom Unternehmen und den Aktionärinnen und Aktionären fernzuhalten? Und wann werden Sie eine angemessene Entschädigung an die durch die Geschäftstätigkeiten von Hanson Israel in den besetzten palästinensischen Gebieten Enteigneten bzw. Geschädigten zahlen?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Kommission Nahost
Ziel der Arbeit ist ein gerechter Frieden in Nahost mit Fokus auf Palästina und Israel.