Dialog statt militärische Eskalation
27. Jan 2022
Erklärung des pax christi-Bundesvorstandes
Die militärische Lage an der ukrainisch-russischen Grenze bleibt trotz aller aktuellen Gespräche weiterhin angespannt. Die Stärke der russischen Truppen an dieser Grenze umfasst inzwischen weit mehr als 100.000 Soldaten. Zusätzlich werden russische Truppen in Belarus zum Zwecke eines Manövers an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. In der Ukraine werden zur Unterstützung der Armee zivile Verteidigungseinheiten gebildet, die sich auf einen bewaffneten Kampf vorbereiten. Während Deutschland Waffenlieferungen in das Spannungsgebiet ablehnt, liefern andere NATO-Staaten aktuell Waffen an die Ukraine.
Die Chancen für eine friedliche Lösung des Konfliktes sind noch nicht vertan. Die Aufrüstungsdynamik kann durch die Fortsetzung und Intensivierung der bilateralen Gespräche und der internationalen Dialogformate noch gebannt werden. Erforderlich ist die Bereitschaft, das Bedrohungsempfinden der jeweils anderen Seite zu respektieren. Vorrangig muss es um Deeskalation und die unbedingte Vermeidung eines weiteren Krieges gehen.
Für eine Verständigung zwischen Russland und dem Westen gibt es zahlreiche Formate, die unter Einbeziehung der Ukraine genutzt werden müssen. Die Charta von Paris aus dem Jahr 1990, die Achtung und Zusammenarbeit als Grundlage der gegenseitigen Beziehungen bestimmt und die jede Androhung und Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität von Staaten ächtet, ist dafür die Grundlage.
Die Sicherheitsinteressen aller Beteiligten müssen gewahrt werden. pax christi fordert die Bundesregierung auf, sich für eine Rückkehr zur NATO-Russland-Grundakte einzusetzen, die auf eine dauerhafte Stationierung von atomaren Mittelstreckenraketen verzichtet und dafür, dass NATO-Manöver nicht an der russischen Grenze abgehalten werden, wie es mit Defender 2020 geplant war. Zudem müssen die NATO-Staaten ihre Mitverantwortung für die Verschlechterung der Beziehungen zu Russland anerkennen und auf irritierende und provozierende Akte verzichten. Von Russland muss ein deutlich erkennbarer Abzug seiner Streitkräfte und Waffen aus dem Grenzgebiet zur Ukraine erfolgen. Statt der Diskussion über eine NATO-Erweiterung sollte die Entwicklung einer gesamteuropäischen Sicherheitsarchitektur unter Einbezug Russlands vorangebracht werden.
Die vom russischen Präsidenten Putin Ende des vergangenen Jahres vorgetragenen rüstungskontrollpolitischen Forderungen sollten die NATO-Staaten als Verhandlungsgrundlage nutzen, um ihrerseits auf den Verzicht der Stationierung von Mittelstreckenraketen, den Verzicht auf jedwede militärische Aktivität und deren Unterstützung im Donbas und die Einhaltung des Minsker Abkommens zu drängen.
Sicherheit für die Ukraine und Russland ist darüber hinaus auch auf politischem, wirtschaftlichem und insbesondere energiepolitischem Feld zu gewährleisten. Die Energiewende wird die Regierungen ebenso wie die Bevölkerung in beiden Staaten vor große Probleme stellen, da dort die Energieversorgung nahezu ausschließlich aus fossilen Energieträgern erfolgt. Deutschland und die Europäische Union insgesamt können hier einen wesentlichen Baustein zur Sicherheitsarchitektur beitragen, indem sie die Länder bei der Umstellung der Energieversorgung auf nachhaltige Produktionstechniken unterstützen, die den Zielen des Pariser Klimaabkommens entsprechen.
pax christi fordert die Bundesregierung auf, an ihrem Verzicht auf Waffenlieferungen an die Ukraine im Sinne dieser Deeskalation festzuhalten und ihren Einfluss geltend zu machen, die verschiedenen Gesprächsformate zwischen den Konfliktparteien mit dem Ziel einer friedlichen Beilegung des Konfliktes nach Kräften zu unterstützen. Dabei muss von der Bundesregierung und der Europäischen Union der Weg zu einer europäischen Sicherheitspolitik unter Einschluss Russlands konsequent weitergegangen werden.