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Das Weißbuch der Bundesregierung benutzt den erweiterten Sicherheitsbegriff zur Ausdehnung des militärischen Auftrages.

25. Okt 2006

Das heute vom Bundeskabinett verabschiedete und morgen im Bundestag debattierte „Weißbuch 2006 zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr“ schafft mit dem Hinweis auf die historisch angeblich neuartige „vernetzte Sicherheit“ eine Legitimierung der deutschen Armee als weltweiter „Bundeswehr im Einsatz“.

Im Vergleich zum ersten Entwurf Verteidigungsminister Jungs ist durch den Einfluss des Außen- und des Entwicklungsministeriums eine Fassung entstanden, die eine militärische Engführung vermeidet, aber letztlich doch der Legitimation der Bundeswehr als weltweitem „Instrument deutscher Sicherheitspolitik“ dient. Es ist zu begrüßen, dass der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention“, der im ersten Entwurf völlig fehlte, nun als ressortübergreifende Querschnittsaufgabe hervorgehoben wird und dass es keine Militäreinsätze im Innern der Bundesrepublik geben wird (außer vom Grundgesetz gedeckten Katastropheneinsätzen). Aber öffentlich ist die Zukunft der Bundeswehr auch im Vorfeld dieses Beschlusses wieder kaum diskutiert worden.

Ein erweiterter Sicherheitsbegriff wurde seit Jahrzehnten von Nichtregierungs-Organisationen, Friedensforschung und Friedensbewegung als Hinweis auf eine nicht-militärische, sondern an entwicklungs- und sozialpolitischen Ursachen ansetzende Politik eingebracht. Er dient nun aber zur Legitimation der Ausweitung des militärischen Auftrages – letztlich bis zur weltweiten Sicherung des „freien und ungehinderten Welthandel(s) als Grundlage unseres Wohlstands“ (1.3: Werte, Interessen und Ziele deutscher Sicherheitspolitik). pax christi hat dies schon gegenüber der Vorgänger-Regierung kritisiert: „Wir halten die militärische Sicherung von Rohstoffen, Märkten und Transportwegen nicht für einen Akt der Bedrohungsabwehr, sondern für Aggression gegenüber weniger stark gerüsteten Volkswirtschaften.“ (Friedenspolitische Richtlinien der Kooperation für den Frieden)

Unter dem Begriff „Vernetzte Sicherheit“ wird der entscheidende Akzent verschoben: das Konzept „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ wird nicht mehr als Gesamtziel verstanden, sondern als ein „Baustein dieses gesamtstaatlichen Sicherheitsverständnisses“. Wenn auch „diplomatische, wirtschaftliche, entwicklungspolitische, polizeiliche und militärische Mittel“ der Sicherheitspolitik nebeneinander gestellt werden, so weist dies in einem verteidigungspolitischen Weißbuch doch dem Militär (in Teil 2) den letztlich

entscheidenden Anteil zu. Dies ist umso fragwürdiger, als gleichzeitig in Bezug auf die asymmetrischen Bedrohungen unserer Zeit betont wird, dass „diesen neuartigen Risiken weder allein noch vorrangig mit militärischen Mitteln begegnet werden“ kann.

Es ist daher insbesondere zu kritisieren, dass die weitere nukleare Teilhabe Deutschlands festgeschrieben und an der Wehrpflicht festgehalten wird, die Wirtschafts- und Handelsinteressen letztlich militärisch abgesichert werden sollen und die Verzahnung der neuen EU-„Verteidigungsagentur“ mit der NATO vorangetrieben wird. Stattdessen sollte die Bundesregierung darauf drängen, eine wirklich neue EU-Politik der zivilen Krisenprävention mit entsprechenden Strukturen und Finanzen aufzubauen. Schließlich leidet die Glaubwürdigkeit der Politik erheblich darunter, wenn man die Ausbreitung der Kleinwaffen weltweit bedauert, und Deutschland in diesem Jahr, gerade auch durch seine weltweiten Kleinwaffenexporte, voraussichtlich der viertgrößte Rüstungsexporteur weltweit sein wird.

Deutschland braucht keine Militärdoktrin zur Verteidigung seiner Wohlstands- und Wirtschaftsinteressen, sondern eine verstärkte Politik weltweiten entwicklungs- und friedenspolitischen Engagements für „menschliche Entwicklung“ und Armutsüberwindung im Sinne der UN, für Menschenrechtsförderung, Aufbau zivilgesellschaftlicher und rechtsstaatlicher Strukturen. Und vor allem braucht es angesichts der eigenen Geschichte weiterhin eine Außenpolitik der Versöhnung und Vermittlung sowie den entschlossenen Aufbau Ziviler Friedens- und Versöhnungsdienste. Dazu leistet dieses Weißbuch keinen wesentlichen Beitrag.


Bad Vilbel, 25.10.2006