Bleiberecht-Beschluss der Innenminister enttäuschend
20. Dez 2006
Weihbischof Voß kritisiert insbesondere die direkte Kopplung des Bleiberechtes an ein dauerhaftes Beschäftigungsverhältnis. Dies werde der Realität nicht gerecht: Die Bedingung können nicht einmal alle deutschen Bürger erfüllen. Die von den Innenministern gesetzte Frist für den Nachweis eines Arbeitsplatzes bis September 2007 sei unrealistisch und zu kurz bemessen. Einen Widerspruch sieht Voß darin, dass in der Zuwanderungspolitik einerseits vom Kampf um die besten Köpfe gesprochen werde, aber andererseits langjährig Geduldete abgeschoben würden, die nachweislich ihre Bereitschaft zur Integration gezeigt hätten und deren Kinder in der Schule zum Teil beste Abschlüsse vorweisen könnten. Das ist nicht mehr nachvollziehbar und nicht vermittelbar, verdeutlicht der Weihbischof nach Angaben der Bischöflichen Pressestelle Münster. Unrealistisch sei auch, dass behinderte oder kranke Menschen ihren Lebensunterhalt nur sehr schwer dauerhaft und vollständig allein bestreiten könnten. Hier müssten angemessene Ausnahmeregelungen gefunden werden.Der Migrationsbischof der Deutschen Bischofskonferenz erkennt an, dass der Innenministerbeschluss der Situation ausländischer Staatsangehöriger Rechnung trägt, die ein oder mehrere minderjährige Kinder haben, welche Kindergarten oder Schule besuchen und seit sechs Jahren in Deutschland leben. Mit diesen Grenzen müsse aber flexibel umgegangen werden, fordert Voß. Zu starre Grenzen bei der erforderlichen Aufenthaltsdauer verhinderten gerechte Lösungen. Es könne nicht angehen, dass es sich in einem demokratischen, sozialen Rechtsstaat nachteilig auswirke, wenn Betroffene in ihrem Asylverfahren die vorgesehenen Rechtsmittel ausschöpfen.
Die zentrale Sorge der Kirche, die nicht zur Disposition steht, gelte dem Schutz von Ehe und Familie. Familien bräuchten eine Lebensperspektive. Deswegen dürften nicht ganze Familien vom Bleiberecht ausgeschlossen werden, wenn ein einzelnes Familienmitglied wegen Straffälligkeit nicht in den Genuss der Regelung komme. Voß warnt davor, Entscheidungen nur nach Nützlichkeitserwägungen zu treffen, so dass die Betroffenen aus dem Blick gerieten. Gerade bei Menschen, die lange in Deutschland lebten, deren Kinder hier geboren seien und aufwüchsen, die sich in diesem Land integrieren wollten und hier ihre Heimat hätten, müsse man fragen: Darf man ihnen eine Abschiebung in eine völlig unsichere Zukunft zumuten? Erfahrungen aus den Gemeinden vor Ort zeigten, dass die Abschiebepraxis bei langjährig Geduldeten eine Grenze erreicht, die menschlich nicht mehr zumutbar ist, kritisiert Voß, der Regionalbischof für die Bistumsregion Coesfeld-Recklinghausen ist. Wer sich auf das christliche Menschenbild berufe, dürfe die Frage nicht ausklammern, was denn dem Menschen zugemutet werden könne: Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz.
(aus dem Pressedienst des Bistums Münster Nr. 50 vom 13.12.2006)