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Rüstungsexporte...

15. Mai 2013

...tragen zur Friedensgefährdung bei. Gemeinsamer Brief des Bischofs von Fulda und pax christi-Präsidenten Heinz Josef Algermissen und des Bischofs der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Schwestern und Brüder,

die Produktion sowie der Export von Rüstungsgütern sind immer wieder Thema der öffentlichen Diskussion. Zum diesjährigen Pfingstfest bitten wir die Gemeinden und die politisch Verantwortlichen, insbesondere die deutschen Rüstungsexporte kritisch in den Blick zu nehmen. Das Pfingstfest stellt uns die Vision einer Welt vor Augen, in der nicht mehr die Dynamiken des Geldes und die vermeintlichen Sachzwänge der Politik das letzte Wort haben; sondern unser Blick wird geweitet auf die Möglichkeit eines Lebens, in welchem „man nicht mehr das Schwert zieht“ und wo „nicht mehr geübt wird für den Krieg“.

Blickt man in die jährlichen Rüstungsexportberichte, so wird deutlich, dass die Mahnung der Propheten, „Schwerter zu Pflugscharen“ umzuschmieden (Jes 2,4; Mi 4,3), aktueller ist denn je. Deutschland steht an dritter Stelle der rüstungsexportierenden Staaten. Dies erfüllt uns mit tiefer Sorge. Es ist unsere gemeinsame Überzeugung, dass Rüstungsexporte zur Friedensgefährdung beitragen, weil Waffenlieferungen nicht selten überhaupt erst die Möglichkeit zu militärischen Konflikten eröffnen.

Insbesondere der Weiterverkauf von Waffen seitens gewisser Empfängerstaaten, der sich trotz gesetzlicher Regelungen nur schwer verhindern lässt, trägt zur Verschärfung von bewaffneten Konflikten bei. So hart das auch klingen mag: Es besteht berechtigter Grund zu der Sorge, dass Waffen aus deutscher Produktion in einer nicht geringen Zahl von regionalen Auseinandersetzungen und Bürgerkriegen zu tödlichem Einsatz kommen wie derzeit etwa in Libyen, Syrien und in Mali sowie in bandenmäßig organisierten Kämpfen wie etwa denen der südamerikanischen Drogenkartelle – und dies nicht selten beiderseits der Front.

Die katholische und evangelische Kirche in Deutschland legen seit 1997 jährlich einen durch die „Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung“ (GKKE) erarbeiteten Rüstungsexportbericht vor. Es werden darin öffentlich verfügbare Informationen über die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen und Rüstungsgütern des Vorjahres zusammengestellt. Die Rüstungsexportpolitik wird dabei im Kontext der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik gemeinsam bewertet. Der Bericht der GKKE macht zu Recht darauf aufmerksam, dass die Rüstungsexporte kontinuierlich steigen, dass ein Drittel der deutschen Rüstungsexporte in Staaten geht, die offiziell Entwicklungshilfe beziehen, und dass eine deutliche Abkehr von dem Grundsatz, deutsche Waffen nicht in Spannungsgebiete zu liefern, festzustellen ist.

Wir beklagen als Kirchen diese Entwicklung und mahnen die Politik, ihr Einhalt zu gebieten. Die deutsche Politik muss die Grundsätze der Genehmigung von Rüstungsexporten restriktiv anwenden und Waffenlieferungen in Krisengebiete wie den Nahen und Mittleren Osten, nach Südasien und Südostasien stoppen. An die gegenwärtige Praxis der Rüstungsexporte stellt die GKKE wichtige Fragen, die glaubwürdig beantwortet werden müssen; wir schließen uns diesen Fragen an:

1. Wie transparent sind die Entscheidungen zu den einzelnen Rüstungsexportgenehmigungen? Es fehlt ein ausreichendes offizielles Berichtswesen, das zeitnah ohne Verzögerungen Entscheidungen nachvollziehbar macht.

2. Reichen die gegenwärtigen Begründungen für die Genehmigung von Rüstungsexporten aus? Sie verstehen sich überwiegend als Bewertung des Einzelfalls des zu liefernden Rüstungsgutes. Diese Art der Begründung blendet jedoch die jeweiligen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontexte der Empfängerländer aus. Rüstungstransfers dürfen nicht nur als Frage des Außenhandels unter ökonomischem Primat verhandelt werden.

3. Ist die parlamentarische Kontrolle der Entscheidungen des Bundessicherheitsrates gegeben? Die mangelnde Transparenz und die unzureichende Begründung lässt die Art der Beteiligung des Parlaments fragwürdig erscheinen. Die Entscheidungen der Exekutive dürfen nicht hinter verschlossenen Türen verbleiben.

Die Beantwortung dieser Fragen ist dringend geboten. Sie bewegen sich auf der praktisch-verantwortungsethischen Ebene. Die Mahnung der biblischen Propheten, die in Jesu Gebot des Gewaltverzichts und der Feindesliebe ihre Zuspitzung findet, liefert hierzu eine gewichtige Stimme. Kirchen beziehen aus dieser Mahnung den Auftrag, die in Politik und Wirtschaft Verantwortlichen auf diese Zusammenhänge hinzuweisen, denn als Christen leben wir aus der Verheißung des Friedens.

Dabei ist uns klar, wie tief wir selber in die durch den Rüstungsgüterexport entstehenden Probleme verstrickt sind: Deutschland ist eines der reichsten Länder der Erde, und die evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümer haben Anteil an diesem Reichtum. Uns ist bewusst, dass wir uns hier selber in einer zwiespältigen Situation bewegen. Kann dies aber ein Grund sein, dem Geschäft mit Waffen tatenlos zuzusehen? Wir unterstützen die Bemühungen der in der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ versammelten Gruppierungen, darunter das Bischöfliche Hilfswerk MISEREOR, das Evangelische Werk für Diakonie und Entwicklung BROT FÜR DIE WELT, die deutsche Sektion von PAX CHRISTI sowie die Diözesanräte von sechs deutschen Bistümern.

Das prophetische Wort „Schwerter zu Pflugscharen“ (Jes 2,4; Mi 4,1-3) drückt die Hoffnung aus, dass Gott eine Welt schaffen wird, in der Menschen keine Waffen mehr brauchen, um sich zu schützen. Das vor uns liegende Pfingstfest mahnt uns einmal mehr, diese Hoffnung nicht im Abstrakten zu belassen, sondern ihr eine konkrete Gestalt zu geben - gerade dort, wo dies von uns selber ein Umdenken erfordert. Daher möchten wir dazu ermutigen, der Verheißung des Pfingstfestes (Apg 2,7-12) Vertrauen zu schenken, und fordern:

- Die bisher in Geltung stehende Praxis des Exports von Rüstungsgütern ist kritisch zu überprüfen.

- Frieden bedeutet immer auch Umkehr und Mut zu einem anderen als dem gewohnten Handeln. Unsere Kirchengemeinden und kirchlichen Gremien sollen sich mit dem Anliegen der bundesweiten Kampagne gegen unkontrollierte Rüstungsexporte auseinandersetzen und gegebenenfalls dem Bündnis „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ beitreten.

- Der Friede ist die Mitte des geistlichen Lebens unserer Gemeinden: „Meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch“, sagt der auferstandene Jesus Christus (Joh 14,27). Konkrete Friedensarbeit verlangt die Einübung in Gewaltverzicht und verpflichtet uns, die geistliche Dimension des Friedens nicht zu vernachlässigen. Mut zum Friedenshandeln erwächst uns aus der Bereitschaft, Christi Worte des Friedens zu hören, weiterzugeben und im praktischen Tun lebendig werden zu lassen.

Einerseits schärft das Evangelium unseren Blick auf die Verhältnisse in der Welt; hinsichtlich der persönlichen Gewissensbildung ist es außerordentlich anspruchsvoll (vgl. Mt 25). Andererseits verheißt es uns ein Leben in Fülle (Joh 10,10), das wir ergreifen sollen. Eben deshalb rufen wir anlässlich des bevorstehenden Pfingstfestes die Christen in unseren Kirchen zu geistlicher wie politischer Sensibilität auf, bitten die innerhalb und außerhalb unserer Kirchengemeinden lebenden Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft um die Bereitschaft zum Umdenken, warnen vor einer vermeintlichen Sicherheit durch Stärke und ermutigen zu klaren Schritten auf dem Weg zu einem gerechten Frieden.

Ihre

Heinz Josef Algermissen

Bischof von Fulda


Martin Hein

Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen Waldeck